Scrollt man unbedacht durch seinen Feed, bezahlt man dafür meist mit seinen Daten. X, Instagram, YouTube, Google und Co. haben sich längst zu Monopolisten entwickelt und diktieren uns die Regeln, nach denen wir im Internet miteinander kommunizieren. Sie haben gegenüber ihren selten ernstzunehmenden Konkurrentinnen eine diskriminierende Marktmacht aufgebaut, können sich herausnehmen, Preise nach ihrem Gusto festzulegen, ohne fürchten zu müssen, von einem anderen Unternehmen unterboten zu werden. Noch dazu lassen sie uns kostenlos für sie arbeiten: Ihr intellektuelles Monopol besteht darin, unser aller Beiträge, Gedanken und persönliche Daten als Content zu sammeln – den Profit aber vollständig einzubehalten. Die Krise der sozialen Medien zeigt: Wir brauchen ein neues Modell – ein gemeinwohlorientiertes.
1. Die Utopie
Ich öffne die Plattform: Menschen teilen Urlaubsfotos, diskutieren über politische Themen, oder unterhalten einander mit Memes. Vielleicht sind die Beiträge für mich personalisiert, aber ich kann das auch mit einem Klick ausstellen. Meine Daten sind sicher. Ich weiß, dass sie verschlüsselt sind und nicht für Werbezwecke genutzt oder gar verkauft werden. Eine gewählte Expertenkommission hat festgelegt, was als Hass und Straftat gilt und als solcher geahndet wird. Wer mir auf der Plattform droht, wird von einem realen Gericht dafür belangt. Ist ein Foto oder Video mit KI bearbeitet worden, so ist das markiert und erklärt. Ich weiß, dass niemand mit dem Betreiben der Plattform extrem reich wird. Auch nicht mit dem Bespielen der Plattform, denn Werbung ist nun verboten. Niemand kann als CEO willkürlich die Regeln unserer Kommunikation festsetzen, denn wir diskutieren sie gemeinsam und stimmen demokratisch über sie ab. Das Geschäftsmodell Social Media gibt es nicht mehr, es ist zu einem öffentlichen Gut geworden.
2. Die Theorie
Das Gemeinwohl ist in der Demokratietheorie unterschiedlich definiert. Folgen wir aber einer pluralistischen Vorstellung von einer Demokratie, wie sie in Deutschland vorherrscht: Dabei stellen politische und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse das Gemeinwohl erst a posteriori her, also im Austausch verschiedenster Positionen und Interessen. Zentral ist, dass es deliberativ, zum Beispiel in Form einer politischen Debatte und Wahl, entsteht und sich an allgemeinen Interessen orientiert.
Aktuell arbeitet der Großteil von Social-Media-Unternehmen gewinnorientiert. Das widerstrebt dem Gemeinwohl, weil die Gewinne eines Unternehmens und die Befriedung der Aktionäre im Vordergrund stehen – nicht aber die Interessen und Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer. In der Folge berücksichtigen digitale Unternehmen zum Beispiel gesellschaftliche Werte wie eine nicht zu stark polarisierte Debatte oder Vertrauen in demokratische Institutionen unzureichend oder gar nicht. Zum Beispiel das Engagement und damit den Profit durch Werbeeinnahmen auf einer Plattform zu erhöhen, indem man mehr Hass und Hetze erlaubt, mag zwar der marktwirtschaftlichen Logik eines Unternehmers entsprechen, aber nicht dem Gemeinwohl. Das Profitinteresse dieser Unternehmen geht so weit, dass sie zum Teil nicht einmal genügend Steuern zahlen.
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