Es ist heutzutage eher selten, dass Literatur fern des Unterhaltungssegments große Stars hervorbringt. Zu den besonderen Ausnahmen gehört die im Nordwesten Irlands geborene Sally Rooney. Jeder ihrer Romane verkaufte sich weit über eine Million mal, sie wurde bisher in rund 50 Sprachen übersetzt. Ihre Neuerscheinungen (wie zuletzt »Intermezzo«) werden on- wie offline bereits viele Monate im Voraus zelebriert. Und sie ist nicht die einzige irische Autorin mit internationalem Ruhm: Autorinnen wie Megan Nolan, Naoise Dolan, Claire Keegan oder Louise Kennedy feiern ebenfalls weltweit Erfolge. 2023 wurde Paul Lynch für seinen Roman »Das Lied des Propheten« mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet – in einem Jahr, in dem gleich vier der 13 Nominierten aus Irland stammten.
Dabei ächzt die Buchbranche eigentlich: Die Zahl der Leserinnen geht zurück, das Papier wird teurer, Druckereien schließen hierzulande, es kommt wiederholt zu Lieferengpässen. Und auch wenn dank BookTok jüngere Generationen das Lesen wieder für sich entdeckt haben, ist der Umsatz in Deutschland weiter rückläufig. Im Jahr 2024 lag er laut Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zwar bei 9,88 Milliarden Euro und somit höher als im Jahr 2020, als 9,3 Milliarden Euro umgesetzt wurden; inflationsbereinigt ist der Wert aber geschrumpft. In der Buchbranche wird gerne geklagt, aber dieses Jahr ist der Frust angesichts gravierender Lieferengpässe besonders groß.
Künstlergrundeinkommen wird dauerhaft eingeführt
Wieso also floriert die Literatur ausgerechnet in dem kleinen Irland? »We all read like hell!«, heißt es 2024 in einem Artikel im Guardian. Dass in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land so viele Menschen lesen und es so viele herausragende Autorinnen hervorbringt, hat einen konkreten Grund: angemessene Kulturförderung. Die Einführung in die Welt der Bücher fängt dabei früh an: Seit 2024 bekommen Erstklässlerinnen zur Einschulung »My Little Library Bag«, eine Tasche mit Büchern und Büchereiausweis. Freiberufliche Künstlerinnen werden bis zu einem Einkommen von 50.000 Euro von der Steuer befreit. Es gibt Förderungsprogramme und Stipendien für den Nachwuchs, dazu die staatliche Organisation Literature Ireland, die irische Literatur im Ausland promotet und Übersetzungen fördert, und seit 1996 mit dem mit 100.000 Euro dotierten (internationalen) Dublin Literary Award außerdem einen der höchstdotierten Literaturpreise der Welt.
Zu diesen Subventionen und Förderungen kommt jetzt noch das bedingungslose Künstlergrundeinkommen hinzu, das Basic Income for the Arts, das ab September 2026 dauerhaft eingeführt wird, wie der irische Kultusminister Patrick O’Donovan Anfang November verkündete. »Kunst« wird dabei definiert als »jede kreative oder interpretative Ausdrucksform (ob traditionell oder zeitgenössisch) in jeglicher Form, insbesondere bildende Kunst, Theater, Literatur, Musik, Tanz, Oper, Film, Zirkus und Architektur«.
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