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Das Wirtschaftsmagazin

Die Mythen der Erbengesellschaft

Um gegen eine höhere Erbschaftsteuer vorzugehen, nutzen ihre Gegner wirkmächtige Erzählungen. Doch eine Analyse der Narrative zeigt: Es sind Mythen.

3 Minuten Lesedauer

Luxus-Yachten, Segelschiffe und Schnellboote auf der Boot 2023 in Düsseldorf. Credit: IMAGO/Panama Pictures

Aus gerechtigkeits- und demokratietheoretischer Perspektive wäre eine starke, progressive Erbschaftsteuer angebracht – eine Position, die wir im Forschungsprojekt »The Deserving Rich« vertreten. Doch wie die politischen und gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre zeigen, ist die Erbschaftsteuer unbeliebt und wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits dreimal seit 1995 als teilweise verfassungswidrig beurteilt – zuletzt 2014 auch auf Grundlage von Artikel 20 Grundgesetz. Diesem zufolge dient die Erbschaftsteuer »nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert.« Warum wird sie von ihren Gegnern so erfolgreich bekämpft? Unsere Annahme: Weil wirkmächtige Narrative gegen die Erbschaftsteuer ins Feld geführt werden. 

Zusammen mit den Philosophen Stefan Gosepath und Christian Neuhäuser und den Doktorandinnen Isabella Pfusterer und Laura Opolka haben wir die zentralen Narrative der Wirtschaftselite gegen die Erbschaftsteuer auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Steuern fallen schließlich nicht vom Himmel; sie müssen legitimiert werden. Narrative bringen Werte und Normen zum Ausdruck und prägen damit, welche Steuerpolitik als gerecht gilt. Wir richten den Blick auf die Wirtschaftselite – die mächtigste aller Elitegruppen, einflussreicher noch als die politische. Dabei analysieren wir die häufig ins Feld geführten Narrative der Doppelbesteuerung, der Kapitalflucht und der nötigen Privilegierung von Betriebsvermögen. 

Unter Narrativen verstehen wir einen Zusammenhang gesellschaftlich wirkmächtiger Überzeugungen mit einem Anspruch auf Wahrheit. Ob sie als wahr gelten, hängt nicht allein von empirischer Überprüfbarkeit ab. Wenn etwa Befürworterinnen und Gegner der Erbschaftsteuer debattieren, werden nicht nur Daten ausgetauscht (empirische Ebene); die Auswahl und Interpretation dieser Daten beruhen auf theoretischen Annahmen (epistemische Ebene) und spiegeln tiefere normative Überzeugungen darüber, was als gerecht gilt (normative Ebene). Diese Ebenen können stark voneinander abweichen. Entscheidend ist daher, das Zusammenspiel der drei Ebenen offenzulegen. Ob ein Narrativ letztlich ein Mythos ist, hängt davon ab, ob überzeugende empirische, epistemische und normative Gründe gegen seinen Wahrheitsgehalt sprechen. Genau das haben wir in unserer Analyse der einflussreichsten Narrative zur Erbschaftsteuer untersucht. 

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Martyna Linartas

Martyna Linartas ist Ungleichheitsforscherin, hat die Wissensplattform ungleichheit.info mitgegründet und leitet diese seitdem. 2025 erscheint ihr Buch »Unverdiente Ungleichheit« (Rowohlt).

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