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Das Wirtschaftsmagazin

Neue Studie: Berlin kann sich die Vergesellschaftung leisten

Der Senat will Wohnraum nicht vergesellschaften. Dabei wäre das möglich – und finanzierbar. Das zeigt eine neue DWE-Studie.

4 Minuten Lesedauer

Im Roten Rathaus gibt es Widerstand gegen das Vergesellschaftungsprojekt von Deutsche Wohnen & Co enteignen. Collage: Surplus, Material: IMAGO/Kena Images/Steinach

Vergesellschaftung ist rechtlich möglich. Das ist spätestens klar, seit die Berliner Expertenkommission zum Volksentscheid »Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen« im Sommer 2023 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Mit unserem neuen Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz haben wir als Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen zuletzt auch praktisch gezeigt, wie fast eine Viertelmillion Wohnungen rechtssicher in Gemeineigentum überführt werden können. Dieser Entwurf klärte die juristischen Knackpunkte zur Vergesellschaftung im Wesentlichen – und schaffte endlich Raum, um der Frage nachzugehen, wie das Berliner Vergesellschaftungsprojekt konkret finanziert werden kann. Damit verschiebt sich die Debatte vom rechtlichen Dürfen zum finanziellen Können. 

Der finanzielle Rahmen der Vergesellschaftung wird seit Monaten kritisch diskutiert. Heute legen wir eine neue Studie vor, die mit Mythen um explodierende Kosten aufräumt und zeigt: Vergesellschaftung finanziert sich selbst.

Das Missverständnis von den Kosten 

Tatsache ist: Viele Berlinerinnen und Berliner fragen sich zu Recht, ob sich die Stadt die Vergesellschaftung in Zeiten leerer Kassen leisten kann. SPD und CDU kürzen die öffentliche Daseinsvorsorge, während weiter Horrorzahlen um die Kosten der Vergesellschaftung kursieren. Der Senat sprach 2020 von Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu 36 Milliarden Euro. Anfang 2024 legte der Berliner Rechnungshof nach: Sein Bericht erklärte die Vergesellschaftung zum finanziellen Risiko und lieferte die gewünschte Steilvorlage für die schwarz-rote Koalition. Zwar wurde der Bericht wegen seiner unplausiblen Annahmen kritisiert, blieb inhaltlich aber lange unwidersprochen.

Inzwischen führt der Senat das Vergesellschaftungsvorhaben in seiner Finanzplanung 2025–2029 sogar als besonderes Haushaltsrisiko. Und erst vergangene Woche legte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner im Tagesspiegel-Interview nach und behauptete, »Enteignungen von Wohnungsunternehmen« hätten »massive Auswirkungen auf den Berliner Landeshaushalt und die Entwicklung der Stadt«. 

Bedauerlicherweise ist selbst aus Teilen des linken Lagers zu hören, man müsse für die Vergesellschaftung sparen. Doch das ist schlicht falsch. 

Vergesellschaftung ist kein Minusgeschäft

Die Einführung von Gemeinwirtschaft ist kein Kostenrisiko, sondern eine Umstellung der Wirtschaftsform – weg von privater Rendite, hin zu dauerhafter Gemeinwohlorientierung. Die künftige Anstalt öffentlichen Rechts (AöR), welche die vergesellschafteten Wohnungen verwalten soll, wäre realistischen Berechnungen zufolge verpflichtet, eine Entschädigung zwischen 8 und 18 Milliarden Euro an die Immobilienkonzerne zu zahlen. Nach unserem aktuellen Gesetzentwurf erhielten die Konzerne im Durchschnitt spekulationsbereinigte 40 bis 60 Prozent des Marktwerts ihrer Immobilien – ein für die Konzerne fairer, aber für die AöR gut leistbarer Betrag.

Trotz der Entschädigungszahlungen macht Vergesellschaftung die Stadt nicht arm, sondern reich. Denn mit den vergesellschafteten Wohnungen erzielt die zukünftige AöR »Gemeingut Wohnen« dauerhafte Mieteinnahmen. Sie kann mit diesen Einnahmen sowohl Entschädigung als auch Bewirtschaftung bezahlen. Das Vorhaben trägt sich auf lange Sicht also selbst – ohne neue Schulden und ohne zwingende Zuschüsse aus dem Berliner Haushalt. 

Wie Vergesellschaftung wirklich finanziert werden kann 

Aufgrund der  laufenden Mieteinnahmen stellt sich nicht die Frage, ob Vergesellschaftung bezahlbar ist. Die Frage ist, wie die Finanzierung gestaltet werden soll. Entscheidend sind Laufzeiten, Zinssätze, Bewirtschaftungsbedingungen – und das Verständnis von öffentlichem Wirtschaften, das dahintersteht. 

Der Bericht des Berliner Rechnungshofs von 2024 versuchte sich an einem solchen Finanzierungsmodell – und scheiterte grundlegend. Er behandelte die Vergesellschaftung nicht wie eine öffentliche Infrastrukturreform, sondern wie einen privaten Immobilienkauf. Kalkuliert wurden Entschädigungssummen von 8, 11, 29 und 36 Milliarden Euro, also sowohl »nicht verkehrswertorientierte« als auch marktnahe Varianten. Die Basiskalkulation unterstellte Bankdarlehen mit 4,5 Prozent Zinsen und 30 Jahren Laufzeit, ergänzt um Landesdarlehen zu 3 Prozent, ebenfalls über 30 Jahre. Nach dieser Logik wären nur die niedrigsten Summen aus den Mieterträgen ohne Zuschüsse tragfähig; die höheren Werte galten als »dauerhaft subventionsbedürftig«. 

Unberücksichtigt blieb, dass eine gemeinwirtschaftliche AöR strukturell ganz andere Bedingungen hätte: längere Tilgungsfristen, gesetzlich festgelegte Zinsen, keine Renditepflicht. Ebenso ignorierte der Bericht, dass gut begründete, realistische Schätzungen zur Entschädigung allesamt unter 18 Milliarden Euro liegen – und nicht darüber. 

So kam der Rechnungshof erwartbar zu dem Schluss, Berlin müsse die Vergesellschaftung dauerhaft subventionieren. Ein Resultat seiner falsch gesetzten Parameter, nicht der ökonomischen Realität. 

Neue Studie belegt finanzielle Machbarkeit

Um diese methodischen Fehler zu korrigieren, haben wir die heute erscheinende Studie »Refinanzierungsoptionen in vergesellschafteten Wohnungsbeständen« in Auftrag gegeben. Ein Team um Andrej Holm (Humboldt-Universität) und Friederike Thonke (Triodos Bank) kommt zu dem Ergebnis: Die Überführung von 240.000 Wohnungen in Gemeineigentum ist selbsttragend finanzierbar. 

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Armin Rothemann

Armin Rothemann ist Koordinator für das Vergesellschaftungsgesetz und Sprecher bei Deutsche Wohnen & Co enteignen. Er ist Jurist für Immobilienrecht und Vergesellschaftung.

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