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Studie: Grüner Stahl schützt gegen Importschocks

Die Bundesregierung lädt zum Stahlgipfel ein, die Branche steht vor großen Problemen. Die Produktion muss geostrategisch unabhängig werden. Eine neue Studie zeigt, wie.

4 Minuten Lesedauer

Die Stahlbranche steht vor großen Herausforderungen. (Symbolbild) Credit: IMAGO/Sylvio Dittrich

Der Abbau der inländischen Stahlproduktion ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Risiken verbunden. Das ist das Ergebnis unserer neuen Studie über die Bedeutung der Stahlindustrie für Deutschland und Europa, die kurz vor dem Stahldialog am Donnerstag erschienen ist. Darin zeigen wir, dass der Abbau der inländischen Stahlproduktion mit erheblichen volkswirtschaftlichen Risiken verbunden ist. Demnach würde ein Ausstieg aus der Primärstahlproduktion und eine stärkere Importabhängigkeit Deutschland im Falle eines globalen »Stahlschocks« bis zu 50 Milliarden Euro an jährlicher Wertschöpfung kosten. Die Transformation der Stahlindustrie hin zu einer klimaneutralen Produktion ist aus geostrategischer und ökonomischer Sicht unerlässlich – selbst wenn in anderen Regionen die Energiekosten niedriger sein sollten. 

Eine Schlüsselbranche im industriellen Gefüge

Die Stahlindustrie ist eine der tragenden Säulen der deutschen Volkswirtschaft. Sie liefert zentrale Vorprodukte für Bauwirtschaft, Maschinenbau, Fahrzeugproduktion, Elektrotechnik und zahlreiche weitere Industriezweige. In diesen stahlintensiven Branchen sind rund vier Millionen Menschen beschäftigt, was in etwa zwei Dritteln aller Industriearbeitsplätze in Deutschland entspricht.

Mit rund 37 Millionen Tonnen Rohstahlerzeugung im Jahr 2024 ist Deutschland der größte Stahlproduzent der Europäischen Union und weltweit der siebtgrößte. Rund 70 Prozent dieser Produktion entfallen auf die Primärstahlroute über Hochöfen, 30 Prozent auf Elektrostahlwerke, die Schrott als Ausgangsmaterial nutzen. Diese Struktur macht den Sektor zu einem zentralen Ansatzpunkt für die industrielle Dekarbonisierung: Die Hochofenroute verursacht derzeit einen erheblichen Anteil der industriellen CO₂-Emissionen, während die wasserstoffbasierte Direktreduktion (DRI) nahezu klimaneutral arbeiten kann.

Investitionslücke bei grünem Primärstahl

Die Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstofftechnologie ist technisch möglich und wird in mehreren Pilotprojekten erprobt. Der Aufbau industrieller Kapazitäten kommt jedoch zu langsam voran, denn es besteht eine erhebliche Investitionslücke: Einem langfristigen Bedarf von jährlich rund 20 Millionen Tonnen grünem Primärstahl stehen in Deutschland aktuell lediglich geplante Produktionskapazitäten von acht Millionen Tonnen gegenüber.

Diese Lücke ist im Wesentlichen auf das Ausbleiben großer Investitionen an den Schlüsselstandorten zurückzuführen. ArcelorMittal hat die Pläne zum Bau von Direktreduktionsanlagen in Bremen und Eisenhüttenstadt vorerst gestoppt. In Duisburg bleiben die Ausbaupläne von Thyssenkrupp hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Und die genehmigten Projekte in Salzgitter und im Saarland reichen nicht aus, um die erwartete Versorgungslücke zu schließen. Dabei werden die bestehenden Hochöfen Mitte der 2030er Jahre lebenszyklusbedingt auslaufen. Neue Kapazitäten für eine klimaneutrale Produktion müssten zu dem Zeitpunkt betriebsbereit sein, denn ein Weiterbetrieb auf fossiler Basis wäre ökonomisch nicht nachhaltig: Durch steigende CO₂-Preise und verschärfte Klimaziele würde die Produktion über konventionelle Hochöfen in den kommenden Jahren zunehmend unrentabel. Deutschland steht daher vor der Aufgabe, jetzt die Grundlagen für eine Wasserstoffinfrastruktur, neue Produktionsanlagen und stabile politische Rahmenbedingungen zu schaffen.

Abhängigkeit birgt ökonomische Risiken

In der Studie untersuchen wir die Folgen eines Szenarios, in dem Deutschland seinen Stahlbedarf hauptsächlich durch Importe deckt und geopolitische Spannungen oder Störungen globaler Lieferketten die Stahlexporte nach Europa massiv einschränken. China stellt mehr als die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion und ist damit ein zentraler Faktor für die globale Versorgung. Eine deutliche Reduktion chinesischer Exporte hätte weitreichende Folgen für die europäische Industrie.

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Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

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Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik und Wirtschafts­politik an der Universität Mannheim und Mitglied in der Mindestlohnkommission.

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