Die BMW-Erben Stefan Quandt und Susanne Klatten sind das reichste Geschwisterpaar Deutschlands. Der Ursprung ihres Familienvermögens geht auf ihren Urgroßvater zurück, der Ende des 19. Jahrhunderts als Tuchfabrikant in Brandenburg den Grundstein für das Vermögen der Familiendynastie legte. Ihr Großvater vergrößerte es als wichtiger Lieferant der Kriegsmarine und mit Aktienspekulationen in der Krise nach dem 1. Weltkrieg. Er war frühzeitiger Unterstützer der NSDAP. Im 2. Weltkrieg profitierte die Familie von der Enteignung jüdischen Besitzes und beschäftigte in ihren Fabriken Zwangsarbeiter. 1959 beteiligte sich ihr Vater schließlich an der notleidenden BMW AG und wechselte das Management aus. Er starb 1982 und hinterließ sein Vermögen seiner mittlerweile ebenfalls verstorbenen Frau und den Kindern.
Das Vermögen: Doppelt so groß wie vom Manager Magazin geschätzt?
Heute kontrollieren Stefan Quandt und Susanne Klatten fast die Hälfte der Stimmrechte an BMW. Ihr Vermögen ist laut Manager Magazin von 11,2 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 40,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 gewachsen und zuletzt wieder auf 34,4 Milliarden Euro geschrumpft. Ein genauerer Blick auf die Vermögensentwicklung zeigt, wie konservativ das Manager Magazin bei der Schätzung vorgeht.
Allein der Anteil der Geschwister an den Gewinnen von BMW summiert sich seit 2001 auf 58 Milliarden Euro, davon 18 Milliarden Euro, die als Dividende ausgeschüttet wurden. 2024 erhielten die Geschwister zwei Milliarden. Trotz steigender Gewinnrücklagen im Unternehmen fiel aber der Aktienkurs und die Anteile der Geschwister waren zum Jahresende nur noch etwa 25 Milliarden Euro wert. Hinzu kommen die Anteile von Susanne Klatten am Chemiekonzern Altana und mehr als hundert weiteren Unternehmen sowie die Anteile von Stefan Quandt unter anderem an dem börsennotierten Logistikdienstleister Logwin AG im Wert von mindestens 5 Milliarden Euro. Insgesamt dürfte das Vermögen also eher 50 bis 70 Milliarden Euro groß sein. Ohne die 1997 beschlossene Aussetzung der Vermögensteuer wären es wahrscheinlich etwa 20 Milliarden Euro weniger.
Die Transparenz: Viele Milliarden im undurchsichtigen Sparschwein
Knapp die Hälfte des Vermögens der beiden Geschwister ist in Unternehmen gebunden, die in ausführlichen, öffentlich zugänglichen Berichten über ihre Geschäfte informieren – zum Teil, weil sie börsennotiert sind (BMW und Logwin) und zum Teil, weil sie als große deutsche Unternehmen dazu verpflichtet sind (Altana). Auch was die freiwillige Information angeht, sind diese Unternehmen vergleichsweise transparent: BMW veröffentlicht auf seiner Website alle Geschäftsberichte seit Unternehmensgründung im Jahr 1918 und auch zum Anteil der Mitarbeiter, zu Vermögenswerten und Umsätzen in Deutschland findet man zumindest für die letzten Jahre in den Geschäftsberichten spannende Daten.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die BMW-Dividenden landen in Holdinggesellschaften, die so gut wie keine Informationen über deren Verwendung offenlegen. Wegen ihrer geringen Zahl an Mitarbeitern zählen sie als kleine Kapitalgesellschaften und müssen lediglich eine verkürzte Bilanz veröffentlichen. Selbst das scheint ihnen aber schwerzufallen. Die Bilanz der Susanne Klatten Beteiligungs GmbH für das Jahr 2023 war für eine kurze Zeit im Unternehmensregister abrufbar, verschwand dann aber aus bisher ungeklärten Gründen wieder und mit ihr die Information, welcher Teil der BMW-Dividende dort steuerbegünstigt angespart wurde. Wo die vielen angesparten Milliarden investiert werden, verrät weder die Susanne Klatten Beteiligungs GmbH noch die Aqton SE von Stefan Quandt. Welche Vermögen, insbesondere Immobilien und Fondsanteile, sie jenseits von BMW und Co. noch geerbt oder gekauft haben, lässt sich wegen der mangelnden Transparenz in diesen Bereichen kaum herausfinden. Solange sich das nicht ändert, wird das Manager Magazin die Vermögen weiterhin konservativ unterschätzen und damit die wissenschaftlichen Daten zur Vermögensungleichheit verzerren.
Das Einkommen und die Steuern: 8 Milliarden Euro pro Jahr und trotzdem weit entfernt vom Reichensteuersatz
Auch wenn der Aktienkurs der BMW-Anteile im letzten Jahr gefallen ist, war das Vermögen der Geschwister im selben Zeitraum sehr rentabel. Insgesamt erwirtschafteten allein ihre öffentlich nachvollziehbaren Unternehmensanteile 2023 einen Vorsteuergewinn von etwa 8 Milliarden Euro. Der größte Teil davon wurde steuerbegünstigt angespart. Für diese Gewinne hat sich der Steuersatz im Vergleich zu 1996 etwa halbiert. Damals wurden – unabhängig davon, ob die Gewinne im Unternehmen einbehalten oder ausgeschüttet wurden – über 50 Prozent Unternehmens- und Einkommensteuer fällig. Zusätzlich teilten sich Unternehmen und Eigentümer noch die Vermögensteuer, die bei BMW etwa 10 Prozent der Vermögenserträge kostete.
1997 wurde die Vermögensteuer aber ausgesetzt. Zwischen 2001 und 2008 halbierte sich zusätzlich die Steuer auf Gewinne, die im Unternehmen einbehalten, oder wie im Fall von Stefan Quandt und Susanne Klatten an die Holdinggesellschaft ausgeschüttet und von dort zum Beispiel in Immobilien oder am Finanzmarkt angelegt wurden. Und schließlich sank auch für die Gewinne, die an die Eigentümer ausgeschüttet wurden, der effektive Spitzensteuersatz von 53 auf nur noch 45 Prozent. Insgesamt zahlen die beiden Geschwister – beziehungsweise vor allem ihre Unternehmen – nach unserer Schätzung statt den mehr als 60 Prozent im Jahr 1996 heute weniger als 30 Prozent Steuern. Mit dem Rest – also zuletzt fast 6 Milliarden Euro – wächst ihr Vermögen weiter, vorausgesetzt, sie legen es gut an.
Investitionen, Arbeitsplätze und das Gemeinwohl: Ein paar Tausend Arbeitsplätze und sehr viel CO₂
BMW hat in den letzten Jahren im Schnitt etwa 30 Prozent seiner Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet. Kurz vor der Steuersenkung zum Jahrtausendwechsel waren es etwa 40 Prozent, danach eine Weile lang nur etwa 20 Prozent. Mittlerweile summieren sich die Gewinnrücklagen auf fast 93 Milliarden Euro. Hätte BMW so viele Steuern wie in den Jahren vor der Steuersenkung gezahlt, wären es etwa 30 Milliarden Euro weniger. Die ab 2028 geplante Senkung um 5 Prozentpunkte würde den jährlichen Gewinn aktuell um schätzungsweise 250 Millionen Euro pro Jahr erhöhen. Seit 2023 kauft BMW jährlich eigene Aktien im Wert von etwa 800 Millionen Euro zurück.
Was hat BMW in der Vergangenheit mit dieser Steuersubvention gemacht? Mit den einbehaltenen Gewinnen hat BMW vor allem die Finanzsparte gestärkt und über großzügige Leasing-Verträge den Verkauf gestützt (plus 75 Milliarden Euro) sowie zuletzt den chinesischen Joint-Venture-Partner übernommen (plus 10 Milliarden Euro). Von den Einnahmen fließen jedes Jahr knapp 8 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Etwa 40 Prozent der Steuerersparnis flossen in langfristige Vermögenswerte in Deutschland. Und die Arbeitsplätze? Zwischen 1998 und 2024 stieg die Zahl der BMW-Beschäftigten in Deutschland um rund 20.000. Teuer erkauft: Rechnet man die Steuerersparnis dagegen, ergibt sich ein impliziter Preis von knapp 3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz.
Die große Frage ist aber, wie nachhaltig das Ganze ist. Die Börse stellt BMW ein vernichtendes Zeugnis aus. Trotz 80 Milliarden Euro zusätzlich einbehaltener Gewinne ist der Wert der Aktien nur um 30 bis 40 Milliarden Euro gestiegen. Statt zusätzliche Rendite zu erzeugen, hat sich der Wert der Gewinne durch deren Verwendung im Unternehmen aus Sicht der Börsianer also sogar halbiert. Auch ein Blick aus Umweltperspektive ist ernüchternd: Obwohl sich ein interner Umweltbeauftragter seit den 1970er Jahren um Verbesserung bemüht und das Management auch am Anteil der verkauften E-Autos gemessen wird, verursachen die insgesamt pro Jahr verkauften Autos über ihren Lebenszyklus noch immer etwa 100 Millionen Tonnen CO₂. Zum Vergleich: Deutschland emittierte im Jahr 2023 insgesamt 600 Millionen Tonnen CO₂.
Die Rolle der Familie: Kaum Unterschied durch Ankeraktionäre
Oft heißt es, Familienaktionäre wie die BMW-Erben sorgten für Stabilität und langfristige Entwicklung. Doch der Vergleich mit Mercedes-Benz, das überwiegend institutionellen Investoren gehört, zeigt: Die Entwicklung beider Unternehmen verlief nahezu parallel. Gewinne, Ausschüttungen, Beschäftigung und Investitionen unterscheiden sich kaum. Ob Milliardäre am Steuer sitzen oder nicht, macht bisher für das Unternehmen keinen erkennbaren Unterschied – mit der »Neuen Klasse« hofft BMW aktuell aber darauf, sich von der Konkurrenz abzusetzen und den negativen Trend zu brechen.
Wie viele Menschen ohne die Steuersubvention noch in Deutschland bei BMW arbeiten würden, wie viele Gewinne BMW noch hier versteuern würde und wie viel CO₂ die Autos der Welt ohne BMWs Werbung für die »Freude am Fahren« und ohne BMWs große Diesel-SUVs ausstoßen würden, kann niemand sagen. Die Zukunft können auch die Börsianer nicht vorhersehen.
Ein paar Dinge lassen sich trotzdem festhalten: Um wirklich beurteilen zu können, ob das Vermögen auch dem Wohle der Allgemeinheit dient und sich das Versprechen von mehr Investitionen und Arbeitsplätzen erfüllt hat, bräuchte es deutlich mehr Transparenz. Besonders problematisch ist das bei den fast 20 Milliarden Euro Dividende, die die Geschwister über die letzten drei Jahrzehnte von BMW erhalten haben. Die seit 1997 eingeführten Steuerprivilegien haben fast 50 Milliarden Euro gekostet und haben vor allem den Status quo gewahrt. An anderer Stelle hätte das Geld für die Eigentümer und/oder die Gesellschaft deutlich rentabler investiert werden können.