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Das Wirtschaftsmagazin

Überleben ohne Wachstum?

Kann Degrowth das Klima retten? Ulrike Herrmann und Matthias Schmelzer diskutieren, wie man die Wirtschaft schrumpfen kann.

8 Minuten Lesedauer

Collage: Surplus, Material: IMAGO / teutopress, privat

Unter Degrowth versteht man die geplante und demokratische Schrumpfung der Wirtschaft, um das Klima zu retten. Ulrike Herrmann und Matthias Schmelzer diskutieren, ob und wie das geht.

Frau Herrmann, es wird aktuell kaum noch über Klimaschutz gesprochen – und wenn,  dann im Kontext von anderen Interessen, etwa der Energiesicherheit. Warum wirken andere Krisen gerade wichtiger als der Klimakollaps?

Herrmann: Der russische Angriff auf die Ukraine war ein Schock. Aber daneben gibt es noch ein zweites Problem. Den Leuten ist klar geworden, dass Klimaschutz nicht umsonst zu haben ist, sondern tatsächlich Geld kostet. Die Idee, dass es ganz viel grüne Rendite und grünes Wachstum gibt und alles sich von selbst finanziert, glauben die Leute nicht mehr. Diese Erkenntnis hat dann eine breite Öffentlichkeit gefunden, anhand einer völlig absurden Diskussion um die Wärmepumpe.

Schmelzer: Ich würde vielem zustimmen. Seit der Merkel-Ära gab es eine Art impliziten Deal zwischen Regierung und Bevölkerung: dass eigentlich alle für Klimaschutz sind, aber der Klimaschutz im Wesentlichen hinter den Kulissen gemacht wird, sodass die Lebensweise der Menschen überhaupt nicht tangiert wird. Bei der Energiewende, die sich auf Strom bezieht, ging das bis zu einem gewissen Grad. Aber sobald das Projekt der ökologischen Modernisierung als Bedrohung in den Lebensbereich von Menschen gerückt ist, wie beispielsweise beim Heizungsgesetz, gab es eine Aufkündigung dieses Deals. Wir haben letztes Jahr eine Umfrage veröffentlicht. Da wird deutlich, dass der Widerstand gegen ökologische Politik in den vergangenen Jahren nicht etwa bei den Prekären zugenommen hat, sondern im Wesentlichen in der Mitte der Gesellschaft. Da hat sich etwas verschoben. Es gibt einen neuen Konsens – gegen ökologische Politik und gegen Transformation. 

Woher kommt dieser Widerstand?

Herrmann: Die Tragik ist, dass dieser Abwehrkampf, den Matthias beschrieben hat, sich nun ausgerechnet an der Wärmepumpe entzündet, die tatsächlich ein sehr effizientes Instrument des Umweltschutzes ist. Das liegt an handwerklichen Fehlern der Ampelkoalition. Die soziale Inkompetenz der Grünen, und das sage ich als grünes Parteimitglied, hat sich da wieder ganz in voller Breite gezeigt. 

Schmelzer: Der Widerstand hat sich gegen Projekte der ökologischen Modernisierung entzündet, an dem Versprechen, dass sich die Krise durch technische Effizienzgewinne lösen lässt. Nicht einmal ökologische Modernisierung, die rein auf technische Innovationen setzt, war durchsetzbar. Und Degrowth ist ja als Kritik an diesem Technikoptimismus entstanden. Deswegen ist auch die ganze politische Konstellation für so ein Projekt wie Degrowth aktuell total schwierig, weil bereits ökologische Modernisierung scheitert, geschweige denn weitergehende Transformationen von Produktions- und Lebensweise.

Wenn jetzt sogar die Effizienzsteigerung auf Widerstand stößt, was wäre dann ein Angebot, das man aus einer wachstumskritischen Perspektive machen kann?

Schmelzer: Unsere empirischen Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen mit wenig Einkommen in den letzten Jahren durch grüne Politik entfremdet und abgehängt gefühlt haben, weil grüne Politik oft die Bedürfnisse und Sorgen von ärmeren Menschen nicht ernst genug genommen hat. Um langfristig wieder in eine Situation zu kommen, in der es möglich ist, breite gesellschaftliche Mehrheiten für ökologische Politik zu organisieren, muss jede Form von ökologischer Politik eben auch soziale Politik darstellen. Da gibt es viele Vorschläge, etwa Grenzen für Überkonsum für besonders Wohlhabende, Maximaleinkommen und mehr Umverteilung, gute Daseinsvorsorge und gratis öffentlichen Nahverkehr für alle. Aber da traut sich aktuell politisch eigentlich niemand ran, obwohl das die Voraussetzung dafür wäre, damit eine Politik der Suffizienz, bei der nur das produziert wird, was wirklich gebraucht wird, überhaupt wieder akzeptabel werden kann.

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Ulrike Hermann

Ulrike Herrmann ist Wirtschaftsredakteurin bei der taz und Autorin des Bestsellers »Das Ende des Kapitalismus«.

Matthias Schmelzer

Matthias Schmelzer ist Professor für sozial-ökologische Transformationsforschung an der Europa-Universität Flensburg und leitet das Norbert Elias Center for Transformation Design & Research.

Caro Rübe

Caro Rübe ist Politökonomin und forscht im Rahmen des Projekts »Powering Wealth« zu dynastischen Strategien. Caro benutzt alle Pronomen.

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