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Deutschland muss über den Sozialstaat in Arbeitskräfte investieren

Qualifizierte Arbeitskräfte schafft Deutschland nicht durch Sparpolitik, sondern durch einen stärkeren Sozialstaat.

2 Minuten Lesedauer

Deutschland braucht mehr qualifizierte Arbeitskräfte, investiert aber zu wenig. Credit: IMAGO/Bihlmayerfotografie

Eine Volkswirtschaft, die sich auf Qualitätsproduktion stützt, braucht ein leistungsfähiges Bildungs- und Gesundheitswesen. Hervorragende Schulen und Hochschulen, eine erstklassige betriebliche Aus- und Weiterbildung sowie leistungsfähige Krankenhäuser und Arztpraxen sind notwendige Voraussetzungen für qualifizierte und gesunde Arbeitskräfte. Der Sozialstaat hat zudem starken Einfluss auf die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots.

Das deutsche Ausbildungs-, Bildungs- und Weiterbildungssystem ist aber aufgrund seiner chronischen Unterfinanzierung den Anforderungen einer modernen Volkswirtschaft immer weniger gewachsen. Deutschland investiert zu wenig in Bildung. Der Anteil der deutschen Bildungsausgaben am Sozialprodukt liegt mit niedrigen 4,6 Prozent unter dem Durchschnitt der Industrieländer. Deutsche Schüler schneiden in internationalen Vergleichen schlecht ab. Ganze 7 Prozent der Jugendlichen – über 62.000 Personen – verlassen die Schule jährlich ohne Abschluss. Zwischen Ostsee und Alpen ist der schulische Erfolg stärker vom Elternhaus abhängig als in anderen Industrieländern. Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet aus. Hier gibt es politischen Handlungsbedarf. Der Sozialstaat muss zukünftig mehr in Bildung investieren.

Arbeitskräfte fehlen

Der Sozialstaat kann durch gezielte Bildungs-, Familien-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik sowie Steuer- und Transferpolitik das Arbeitskräfteangebot steuern. Eine flächendeckende und bedarfsorientierte Versorgung mit Kitas, Ganztagsschulen und Pflegeeinrichtungen sowie familienfreundliche Arbeitszeiten verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der jüngste Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit – die Frauenerwerbsquote stieg von 58 Prozent (2000) auf 74 Prozent (2024) – war maßgeblich auf den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur zurückzuführen. 

Der Bedarf ist aber noch lange nicht gedeckt. Viele Beschäftigte können ihre Arbeitszeitwünsche aufgrund fehlender Betreuungsangebote und Vollzeitjobs nicht erfüllen. Fast jede zweite geringfügig Beschäftigte und jede vierte Teilzeitbeschäftigte wollen ihre Arbeitszeit verlängern. Erschwerend kommt ein Steuerrecht hinzu, das die Berufstätigkeit verheirateter Frauen finanziell bestraft. Wenn alle unterbeschäftigten Lohnabhängigen so viel arbeiten könnten, wie sie möchten, würde das Arbeitsvolumen – die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden – stark ansteigen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) schätzt das höhere Arbeitszeitpotenzial auf 1,4 Millionen Vollzeitarbeitskräfte.

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Dierk Hirschel

Dierk Hirschel ist ver.di-Chefökonom.

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