zum Inhalt
Das Wirtschaftsmagazin

Die EZB tut nicht genug für den Klimaschutz – obwohl sie es könnte

Klima steht auf der EZB-Agenda, doch Banken stecken weiterhin Milliarden in fossile Energie. Wie kann das sein?

5 Minuten Lesedauer

Die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt (Main). Credit: IMAGO/5VISION.NEWS

»Liebe EZB, bitte tu mehr für den Klima- und Naturschutz.« Das haben – in anderen Worten – verschiedene Organisationen und Zentralbankexpertinnen und -experten im Januar gefordert. In einem offenen Brief wandten sie sich an die Europäische Zentralbank (EZB). Das Hauptargument: Die Preis- und Finanzstabilität zu erhalten, bedeutet auch, Klima und Natur zu schützen.

Dass die Klimakrise ihre Arbeit beeinflusst, weiß die EZB selbst. Denn Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen machen auch vor dem Wirtschaftssystem nicht Halt. 2021 hat sie die Berücksichtigung von Klimarisiken fest in ihrer geldpolitischen Strategie verankert. In diesem Jahr kamen in der Strategie auch die Risiken durch Naturzerstörung dazu. Trotzdem stecken Banken – auch unter der Aufsicht der EZB – weiter Milliarden in fossile Unternehmen. Was kann die EZB tun, um die Transformation der Wirtschaft zu unterstützen? Und wieso tut sie nicht schon mehr?

Klima- und Naturschutz: Teil des Mandats

Das erste Mandat der EZB ist Preisstabilität, doch die wird durch Extremwetter bedroht. Wenn etwa – durch immer häufiger vorkommende Dürren – Ernten ausfallen, steigen die Preise für Lebensmittel. Außerdem eine zentrale Aufgabe der EZB: das Finanzsystem stabil zu halten. Das wird aber durch die Folgen der Klima- und Naturkrise gefährdet. Die etwas verkürzte Grundlogik: Extremwetter und unterbrochene Lieferketten schaden Unternehmen, sie können ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen, dadurch sind die Banken in Gefahr.

»Wir haben keine andere Wahl, als die Auswirkungen der Klima- und Naturkrisen zu berücksichtigen, um unsere geldpolitischen und bankaufsichtlichen Aufgaben zu erfüllen«, sagte Frank Elderson, Mitglied des EZB-Direktoriums, bei einer Rede im Juli 2025.

Die EZB hat auch ein sekundäres Mandat: Sie soll die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen, wenn sie damit nicht der Preisstabilität schadet. Trotz des aktuellen politischen Backlashs ist Klimaschutz langfristig durch die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen klar in der EU-Politik verankert. Auch über das sekundäre Mandat lassen sich also Klimamaßnahmen verargumentieren.

Klimastresstest und ein Klimafaktor

Was tut die EZB konkret? 2022 hat sie zum ersten Mal einen Klimastresstest durchgeführt. Der zeigte, dass Banken Klimarisiken noch nicht genug berücksichtigen. Daraufhin gab die EZB den Banken eine Reihe von Hausaufgaben mit verbindlichen Fristen und möglichen Geldstrafen. Banken müssen daher Klimarisiken in ihre eigenen Stresstests integrieren und sicherstellen, dass sie genug Kapital haben, um Risiken abzufedern. Eine allgemeine Vorgabe, wie viel Kapital das sein muss, gibt es aber nicht.

Ebenfalls 2022 fing die EZB an, Klimakriterien zu berücksichtigen, wenn sie Unternehmensanleihen kaufte. Nach ihrer expansiven Geldpolitik stoppte die EZB im Juli 2023 allerdings ein Anleihekaufprogramm, im Dezember 2024 das andere. Dadurch  war auch mit dem grünen Umbau des Portfolios Schluss. In diesem Sommer hat die EZB eine weitere Maßnahme angekündigt: Sie will ab der zweiten Hälfte von 2026 einen sogenannten Klimafaktor anwenden.

Wenn Banken sich Geld bei der Zentralbank leihen, müssen sie Sicherheiten hinterlegen. Das können etwa Wertpapiere oder Kreditforderungen sein. Der angekündigte Klimafaktor bedeutet: Für Unternehmensanleihen aus besonders klimaschädlichen Geschäften könnten die Banken weniger Geld bekommen. Das könnte diese Anleihen unattraktiver machen. Zwar ist noch nicht bekannt, wie hoch der Klimafaktor genau sein wird. Laut einer Beispielrechnung des investigativen Nachrichtenmediums Follow the Money dürfte der Risikoaufschlag für große fossile Unternehmen wie Shell allerdings wenig ändern.

Kritik am einseitigen Risikoverständnis

Viele Forschende und NGOs fordern schon lange: Die EZB solle einen sogenannten »double materiality«-Ansatz verfolgen. Das bedeutet, nicht nur zu schauen: Welche Risiken kreiert die Klima- und Naturkrise für das Finanzsystem? Sondern auch umgekehrt: Wie beeinflussen wirtschaftliche Aktivitäten Klima und Natur? Wo feuern neue Ölbohrungen die Klimakrise an? Welche Unternehmen verschmutzen Flüsse oder holzen Wald ab?

Jetzt mit kostenloser Probewoche weiterlesen:

Zur Probewoche

Gibt’s schon einen Account? Login

Katharina Mau

Katharina Mau hat International Economics studiert und an der Deutschen Journalistenschule gelernt. Sie engagiert sich im Netzwerk Klimajournalismus Deutschland und beschäftigt sich damit, wie ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem aussehen kann.

#5 – Die Ökonomie des Überlebens

Mit dem Klimakollaps droht eine Verwüstung des Planeten. Nur ein anderes Wirtschaften kann ihn aufhalten.

Zum Magazin