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Koalitionsvertrag: Mit der Gasheizung zurück in die Vergangenheit?

Union und SPD wollen das Gebäudeenergiegesetz abschaffen. Das ist ein klimapolitischer Rückschritt.

4 Minuten Lesedauer
Noch hat sich die Wärmepumpe nicht flächendeckend durchgesetzt. Credit: IMAGO/Manngold

Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag wichtigen Klimaschutzprojekten entledigt. Ein prominentes Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Darin sieht der Paragraph 71 einen Einbaustopp von Gasheizungen ab spätestens Mitte 2028 vor. Gegen genau diese Regelung des von der Bild-Zeitung beschworenen »Heizungshammer« der Ampel-Koalition machen CDU und CSU seit Monaten Stimmung. 

Die Union scheint sich in den Verhandlungen mit der SPD nun durchgesetzt zu haben, laut Koalitionsvertrag will die designierte Regierung »das Heizungsgesetz abschaffen«. Stattdessen soll ein neues GEG »technologieoffener, flexibler und einfacher« gestaltet sein. Beides zielt darauf ab, den Einbau fossiler Heizungen länger zuzulassen als bisher. Statt diese zu verbieten, müssten die grünen Alternativen nur ordentlich gefördert werden. Anders als am Paragraphen 71 soll daher am zweiten zentralen Element des Ampel-Heizungspakets, der umfangreichen Wärmepumpen-Förderung, festgehalten werden. Der Vorstoß der neuen Koalition ist jedoch in dreifacher Hinsicht abzulehnen. Er ist nicht mit den verbindlichen Klimazielen vereinbar, verbraucherunfreundlich und ökonomisch ineffizient.

Das Heizungsgesetz als moderne Klimapolitik

Schon die aktuellen Gesetzgebungen im Gebäudebereich erfüllen Deutschlands Klimaverpflichtungen nicht. Neue Berechnungen des Umweltbundesamts zeigen, dass im Gebäudesektor, der rund 15 Prozent der heimischen Emissionen verantwortet, bis 2030 eine Emissionslücke von über 111 Millionen Tonnen CO2 klafft – rund so viel wie die gesamten Niederlanden heute emittieren. Besonders absurd: Die Koalition droht trotz dieser Lücke ausgerechnet die bislang stärkste Maßnahme zu streichen. Von allen Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich – Wärmepumpenförderung, steuerliche Vorteile für Sanierungen, CO2-Steuer, et cetera – ist das GEG mit seinem Paragraphen 71 das wirkungsvollste, denn es spart die meisten Emissionen ein

Das Gesetz stellt mit der Kombination aus klimapolitischer und ökonomischer Lenkungswirkung durchaus das dar, was Ökonom Tom Krebs als »moderne Klimapolitik« bezeichnet. Diese charakterisiert sich durch eine Anreizung privater Investitionen durch Förderung in grüne Technologien, öffentliche Investitionen in grüne Infrastruktur und den Schutz vulnerabler Gruppen vor Preissteigerungen. Analog dazu ist das Heizungsgesetz neben der Peitsche – dem Einbaustopp von Gasheizungen – mit ordentlich Zuckerbrot ausgestattet: Je nach Einkommen und Alter der Heizung gibt es bis zu 70 Prozent Förderung für die neue klimafreundliche Heizung, vulnerable Gruppen werden durch Härtefallregeln besonders geschützt und grüne Fernwärme zusätzlich unterstützt. 

Der Einbaustopp neuer fossil betriebener Heizungen ab spätestens 2028 zielt auf einen organischen Gasausstieg bis 2045 ab. Für heute eingebaute Gasheizungen wäre nach ihrer durchschnittlichen Lebensdauer von fünfzehn bis zwanzig Jahren spätestens 2045 Schluss – also genau in dem Jahr, in dem Deutschland klimaneutral sein muss. 

Diese Lenkungswirkung droht das GEG nun jedoch unter dem Vorwand der »Technologieoffenheit« zu verlieren. Denn die üppige Wärmepumpen-Förderung kann Klimaneutralität bis 2045 nur in Kombination mit dem Gasheizungsstopp ab 2028 ermöglichen. Solange es erlaubt bleibt, werden sich nur wenige Verbraucherinnen und Verbraucher freiwillig von ihrer Gasheizung verabschieden. Das Förderungen allein nicht ausreichen, verdeutlicht der Blick auf die aktuellen Verkaufszahlen neuer Heizungsanlagen. Letztes Jahr wurden trotz Wärmepumpen-Zuschuss über 400.000 Gasheizungen verkauft. Das sind mehr als doppelt so viele Neugeräte wie Wärmepumpen im gleichen Jahr eingebaut wurden. Für das Erreichen der Klimaziele bedarf es eigentlich des Gegenteils: Mehr als 500.000 neue Wärmepumpen braucht es jährlich, um die Emissionen ausreichend zu senken. 

Ökonomische Kurzsichtigkeit mit der Gasheizung verhindern 

Dass Union und SPD an der umfangreichen Wärmepumpen-Förderung von bis zu 70 Prozent festhalten wollen, ist derweil richtig. Diese ist zwar teuer, aber dringend nötig. Denn noch ist die Wärmepumpe in der Anschaffung gut dreimal teurer als eine typische Gasheizung. Die Bundesförderung drückt die Kosten für eine Wärmepumpe jedoch bis unter 10.000 Euro pro Heizungserneuerung – gegenüber 9.500 Euro Durchschnittskosten für die Gasheizung. Das ist jetzt schon ein Nullsummenspiel in der Anschaffung. Zudem ist die Wärmepumpe schon heute ohne Förderung mit der Gasheizung hinsichtlich der Betriebskosten konkurrenzfähig

Hinzukommt, dass sich die Förderausgaben für die Verbraucher sowie auch aus volkswirtschaftlicher Sicht zügig rentieren, denn im Allgemeinen bedeuten der Gasausstieg und der Umstieg auf die Wärmepumpe einen Effizienz- und Produktivitäts-Boost. Konkret werden Privathaushalte durch den Umstieg auf die Wärmepumpe vor den weiteren zu erwartenden Gas-Preissteigerungen geschützt, die die Betriebskosten noch mehr in die Höhe treiben werden. Die Kombination aus steigender CO2-Bepreisung und höheren Netzentgelten bei schwindender Kundschaft wird die Gas-Betriebskosten erhöhen – je mehr Menschen auf eine Wärmepumpe umsteigen, desto teurer wird die Aufrechterhaltung der Infrastruktur je verbliebenem Verbrauch. Hinzukommt, dass Heizen mit Gas durch den steigenden Anteil von Flüssiggas (LNG) teurer wird. Gas könnte dann deutlich mehr als das Doppelte kosten. Dies würde gerade ärmere Verbraucher hart treffen. Wärmepumpenförderung und Einbaustopp für Gasheizungen sind daher Verbraucherschutz von morgen. 

Doch die Rolle von Gas in der Dekarbonisierung ist umkämpft. Obwohl der Gasnetzbedarf bis 2045 radikal um rund 90 Prozent sinken muss, stiegen die Investitionen in die Gasinfrastruktur in den letzten Jahren an – auf jährlich rund 3 Milliarden Euro. Wenn Klimaneutralität bis 2045 das ernstzunehmende Ziel bleibt, sind das erhebliche Fehlinvestitionen. Denn Gasnetze rentieren sich erst langfristig, haben Refinanzierungslaufzeiten von über 40 Jahren. Wenn aber die Gasinfrastruktur vom Netz muss, noch bevor sie sich rechnet, werden die Investitionen zu »stranded assets«. Das ist ökonomisch unsinnig und fatal für die Finanzierung der Transformation, denn es bindet Kapital, das an anderer Stelle für den grünen Umbau der Fernwärme fehlt und obendrein zu einem Gas-Lock-in beiträgt, der Ausstieg also immer unwahrscheinlicher wird. 

Derweil setzt die fossile Lobby darauf, dass der Gasausstieg und der Einstieg in die Wärmepumpe verzögert wird und damit das Gasgeschäft und die Gasinfrastruktur profitabel bleiben. Wenn der politische Zickzackkurs von Union und SPD nun neue Spielräume für die Gasheizung schafft, könnte dieses Kalkül aufgehen. All das wäre ein großer Rückschritt. 

Weg in die klimapolitische Zukunft jenseits der Gasheizung

Der angekündigte heizungspolitische Neustart der designierten Regierung kann weder auf den Einbaustopp von fossilen Heizungen noch auf eine umfassende Förderung von Wärmepumpen verzichten. Die hohen Verkaufszahlen fossiler Heizungen zeigen, dass Wärmepumpen-Anreize allein nicht für die Erreichung der Klimaziele ausreichen. Die Abschaffung von Paragraph 71 wäre der Weg in die klimapolitische Vergangenheit. Stattdessen sollten Union und SPD eine moderne Heizungs- und Klimapolitik fortführen und bei einer Reform des GEG lieber die Menschen noch stärker bei der Umrüstung auf die Wärmepumpe und bei der energetischen Sanierung unterstützen und so die Akzeptanz für die nötige Wärmewende stärken. Gepaart mit konsequenter Unterstützung von Kommunen, Energieversorgern und Netzbetreibern bei der Umstellung auf grüne Fernwärme wird sich dann auch eher früher als später die Erkenntnis durchsetzen, dass der Gasausstieg nicht nur dem Klima, sondern vor allem den Menschen nützt.

Johannes Hofmann

Johannes Hofmann ist Ökonom und Politikwissenschaftler. Er arbeitet zur Wärmewende und Klimafinanzierung bei GermanZero e.V.