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Deutschland braucht ein Konjunkturprogramm, keine »Hightech-Agenda«

Schwarz-Rot setzt für Wachstum auf KI, Deregulierung und Innovation. Das geht an den Ursachen der Rezession in Deutschland vorbei.

5 Minuten Lesedauer

Friedrich Merz und Katherina Reiche (beide CDU) wollen Deutschlands Wirtschaft mit KI und anderen Technologien ankurbeln. Credit: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Deutschland startet die »Hightech-Agenda«. Um das Wachstum der Wirtschaft hierzulande zu steigern, sei »technischer Fortschritt (...) entscheidend«, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Ähnlich wie in den USA, wo der AI Action Plan der Trump-Administration Tech-Giganten immer mehr Spielräume schafft, setzt nun auch die Bundesregierung auf Deregulierung und neue Technologien, und auch auf Künstliche Intelligenz (KI). 

Trump sorgt so in den USA für ideale Bedingungen, dass Aktienkurse von Meta, Apple, Alphabet und Co. immer weiter steigen können, und verwechselt steigende Aktienkurse mit einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum, von dem die gesamte Bevölkerung profitiert. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nimmt sich Trumps Herangehensweise dennoch zum Vorbild: »Im internationalen Vergleich fällt Deutschland zurück – während das Bruttoinlandsprodukt in den USA seit 2019 um mehr als 12 Prozent gewachsen ist, vor allem durch den Tech-Boom«, sagte Reiche einer Pressemitteilung zufolge. 

Kritik für die Agenda kommt vor allem von der Linken, die sie als Ablenkungsmanöver sieht. »Wir sollten die Schwerpunkte so legen, dass sie die großen gesellschaftlichen Herausforderungen angehen, und das sind eben die Klimakatastrophe, die Faschisierung und die wachsende Vermögensungleichheit«, sagte Linkensprecherin für Forschung und Technologie Sonja Lemke (Die Linke) im Bundestag. 

AI-Actionplan und Hightech-Agenda setzen auf KI als Wachstumsmotor

Doch die Bundesregierung stimuliert kein Wachstum durch höhere Ausgaben aus der breiten Bevölkerung, sondern wettet zunächst auf die Zukunft und setzt dabei auf Technologien, die noch nicht einmal existieren. 

Dafür bekommen Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) und ihr Ministerium bis 2029 insgesamt 18 Milliarden Euro. Zwei Milliarden davon kommen jährlich aus dem Bundesetat. Merz will dadurch einen »Paradigmenwechsel in der Forschung« einleiten und für »Forschungsoptimismus« sorgen. Der Plan hat Parallelen zum AI Action Plan der Trump-Administration. Dieser sieht vor allem Deregulierungsmaßnahmen vor, die Umweltauflagen drosseln, während die KI-Infrastruktur ausgebaut, und Tech-Giganten wie Meta, Apple, Amazon und Alphabet steuerlich entlastet werden. 

Als zentrale Elemente der deutschen Hightech-Agenda gelten sechs Schlüsseltechnologien. Neben Quanten- und Biotechnologien ist es vor allem KI. Mit der »KI-Offensive«, wie sie in der Agenda genannt wird, will die Bundesregierung »bis 2030 10 Prozent der Wirtschaftsleistung KI-basiert erwirtschaften«, heißt es in einer Mitteilung. Dieser Hoffnung geht die Annahme voraus, dass KI die Arbeitsproduktivität deutlich erhöht. Eine Vorstellung, der die aktuell ausbleibenden Effizienzsteigerungen von Unternehmen, die KIs nutzen, deutlich gegenüberstehen. »Im Moment ist kein einziges KI-Unternehmen profitabel; niemand macht gerade Geld mit KI«, mahnte Lemke in ihrer Bundestagsrede. 

Außerdem setzt die Agenda auf Deregulierung im Sinne des freien Marktes. KI-basierte Firmen sollen sich leichter und unbürokratischer in Deutschland niederlassen können. Dafür sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Welche genau, bleibt unklar. Auch die Infrastruktur soll ausgebaut werden: »Wir holen mindestens eine der AI-Gigafactories nach Deutschland«, heißt es in der Mitteilung. 

Reiches ordoliberaler Beraterkreis

Anfang Oktober berief Reiche ein Gremium ein, das nun zusätzlich zur Hightech Agenda Reformvorschläge anbietet, die im Kern Trumps Ziel beipflichten, das Rennen um den KI-Markt, wie Trump es nennt, zu gewinnen. 

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Tim Kemmerling

Tim Kemmerling hat VWL an der FU Berlin studiert mit dem Schwerpunkt auf Ungleichheitsforschung. Jetzt ist er Masterstudent der Wirtschaftskommunikation und freier Journalist für Surplus, taz, ZEIT Verbrechen und den Tagesspiegel Background.

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