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Pakistan zwischen Krieg, Klimawandel und Kapitalflucht

Pakistan befindet sich an der Schwelle eines Krieges mit Indien. Auch ökonomisch hat das Land große Turbulenzen hinter sich: Ein Schuldenschnitt würde helfen.

9 Minuten Lesedauer
Collage: Surplus

Pakistan ist ein Land im Konflikt. Grenzschließungen, Sperrungen der Lufträume, diplomatische Ausweisungen und Raketentests folgten im April dieses Jahres aufgrund wachsender Spannungen mit Indien. Im nordindischen Pahalgam wurde im April ein Anschlag verübt: Indien macht die pakistanische Terrorgruppe »The Resistance Front« verantwortlich. Anfang Mai folgten militärische Vergeltungsschläge von Indien, die von Pakistan erwidert wurden – bevor unter Vermittlung der USA eine brüchige Waffenruhe zustande kam. Die beiden Nachbarländer stehen am Rand eines Krieges. Die Gesellschaft Pakistans ist relativ jung und vom Islam geprägt. Hochgebirge im Norden, trockene Plateaus im Westen, Reisfelder am Indus – das Land zeichnet sich durch eine große Weite aus. Doch Staat und Gesellschaft stehen unter enormen Druck – durch Machtkämpfe, ökonomische Ungleichheit und ethnische Brüche. 

Instabile wirtschaftliche Entwicklung

Die Eskalation der politischen Spannungen kommt für Pakistan zu einer Zeit, in der es auch ökonomisch höchst turbulent zugeht. Wie in vielen Ländern des globalen Südens haben die vielfältigen Krisen der vergangenen Jahre – Umweltkatastrophen, eine Pandemie und der Ukrainekrieg – die ohnehin fragilen wirtschaftlichen Strukturen erschüttert. 

Die pakistanische Wirtschaft stützt sich in erster Linie auf die Landwirtschaft, insbesondere den Anbau von Weizen, Reis, Zuckerrohr und Baumwolle. Letztere ist eng mit dem Textilsektor verknüpft, der den größten Teil der Exporte ausmacht und damit den wichtigsten Industriesektor des Landes stellt. Vor allem einfache Textilien und Bekleidung für den Weltmarkt sichern hier Millionen Arbeitsplätze – und mehr als ein Drittel (35 Prozent) der pakistanischen Textilexporte gehen in die EU. 

Die Instabilität des pakistanischen Wachstumsmodells zeigt sich auch in dessen volatilen Wachstumsraten. Abbildung 1 veranschaulicht das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Gesamtwirtschaft und auch pro Kopf, da das Bevölkerungswachstum die Interpretation der gesamtwirtschaftlichen Zahlen verzerren kann. Die Wachstumsraten gleichen in den vergangenen 30 Jahren einer wahren Achterbahnfahrt: Auf vereinzelte Jahre sehr hoher Wachstumsraten folgte in der Regel ein deutlicher Abschwung, bevor wieder ein kurzfristiger Boom einsetzte. 

Auf und Ab ging und geht es auch bei der Inflation. Während die Preissteigerungen größtenteils zwischen 5 und 10 Prozent pro Jahr betrugen, folgten in Zeiten globaler Krisen Inflationsraten von 20 Prozent oder gar 30 Prozent. Geschuldet ist dies der landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft, dem instabilen Wechselkurs und der hohen Anfälligkeiten für externe Schocks, wie durch die höheren Zinsen in den USA oder durch die Klimakatastrophen. 

Die Investitionsquote blieb in dem Zeitraum für ein Entwicklungsland durchweg sehr schwach und bewegte sich zumeist um einen Wert von 15 Prozent des BIP. In der Folge konnte auch kein nachhaltiger Strukturwandel stattfinden. Die Wertschöpfungsanteile der drei wesentlichen ökonomischen Sektoren in Pakistan – Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen – haben sich in den vergangenen 30 Jahren kaum geändert: Der Anteil der Landwirtschaft sank zwischen 1990 und 2023 leicht von 28 auf 25 Prozent, der Anteil der Industrie stieg von 20 auf 22 Prozent und der Dienstleistungssektor blieb nahezu unverändert bei 52 bis 53 Prozent. In der Beschäftigungsstruktur hingegen fand ein gewisser Wandel statt: Während 1990 noch fast die Hälfte (46 Prozent) der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig waren, fiel der Anteil bis 2023 auf 36 Prozent. Die Beschäftigten aus der Landwirtschaft sind zu ähnlichen Anteilen in die Industrie und in den Dienstleistungssektor abgewandert, wo es entsprechende Zuwächse gab.

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Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

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