zum Inhalt
Das Wirtschaftsmagazin

Unversicherbar: Die Klimakrise untergräbt das Versicherungssystem

Die Heftigkeit von klimabedingten Schäden stellt das Versicherungssystem infrage. Das ist für Hausbesitzer als auch für Unternehmen verheerend.

4 Minuten Lesedauer
Nach den heftigen Bränden in Los Angeles stellten sich viele die Frage: Bin ich versichert?. Credit: IMAGO/ZUMA Press Wire

Als wäre das verheerende Feuer in Los Angeles Anfang des Jahres nicht schlimm genug gewesen: Viele Hausbesitzer, die alles verloren hatten, empfingen nach den Bränden die Hiobsbotschaft, dass ihr Versicherungsschutz nicht greift. Gerade in dem am stärksten betroffenen Bezirk Pacific Palisades hatte der größte private Versicherer Kaliforniens, State Farm, ein Jahr zuvor tausende Policen nicht erneuert. Nach Informationen des California Department of Insurance liefen alleine zwischen 2020 und 2022 2,8 Millionen Versicherungen gegen Naturkatastrophen aus, eine halbe Million davon in Los Angeles County. Künftig stehen nicht nur kalifornische Hausbesitzer vor der Wahl: entweder keine Versicherung – oder exorbitant teure Prämien bezahlen. 

Günther Thallinger, Vorstandsmitglied der deutschen Allianz SE, der größte Versicherer der Welt, beschrieb in einem öffentlichen Beitrag die Lage in drastischen Worten: »Ganze Anlageklassen verfallen in Echtzeit, was zu Betriebsunterbrechungen und einer systemischen Marktabwertung führt.« Wenn es wie nach aktuellen Szenarien zu einer Erwärmung von über drei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter komme, könne »an diesem Punkt das Risiko nicht mehr übertragen werden (keine Versicherung).« Das bedeutet nach Thallinger: »keine Hypotheken mehr, keine neuen Immobilienprojekte, keine langfristigen Investitionen, keine finanzielle Stabilität.« Damit sei »der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, nicht mehr tragfähig«, schreibt Thallinger. 

Die Zurich Versicherung kommt in einem Papier vom April dieses Jahres auf ein ähnliches Ergebnis. Die Zukunftsaussichten seien »alarmierend düster«. Das Papier verweist auf die Brände von Los Angeles als Beispiel dafür, dass »selbst die reichsten Nationen nicht auf die Auswirkungen der zunehmenden Klimarisiken vorbereitet« seien. Sie finden, dass die versicherten Schadenssummen durch Elementarschäden in den vergangenen dreißig Jahren pro Jahr um 5,9 Prozent stiegen, während die Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent wuchs – die Schäden laufen der Fähigkeit zur Wiederherstellung davon. Das Papier macht auch auf eine große Lücke aufmerksam: 2023 waren nur 38 Prozent aller globalen Schäden durch Naturkatastrophen tatsächlich versichert, was 174 Milliarden Dollar an unversicherten Schäden entsprach – und diese Lücke wird nur größer.

Finanzierungsoption Katastrophenwetten? 

Neben dem Wachstum der Versicherungssummen explodiert der Markt für sogenannte »Katastrophenanleihen« (CAT bonds). Diese Finanzprodukte werden seit den 1990ern von Versicherungsunternehmen angeboten, um die Risiken potenziell großer Schadenssummen durch Elementarschäden mit renditehungrigen Investoren zu teilen. Im Schadensfall haben die Versicherer Zugang zu mehr Finanzierung, während in Abwesenheit eines Schadensfalls die Investoren hohe Renditen erwarten können.

Ein Beispiel: Das Versicherungsunternehmen American Family Mutual Insurance (AFMI) verkaufte im November 2010 diese CAT-Anleihen mit 6,25 Prozent Rendite an Investoren unter der Voraussetzung, dass Schäden über dem Schwellenwert von 825 Millionen Dollar in einer Höhe von bis zu 100 Millionen Dollar von ihnen getragen würden. Im Frühling 2011 begann eine besonders zerstörerische Tornadosaison, die bis in den Herbst Schäden von 954 Millionen Dollar verursachte. Bei diesem Geschäft mussten die Investoren also die vereinbarte Schadenssumme in Höhe von 100 Millionen Dollar vollumfänglich bezahlen und machten große Verluste.

Abonniere unseren kostenlosen Newsletter, um diesen Text weiterzulesen:

Zum Newsletter

Gibt’s schon einen Account? Login

Max Hauser

Max Hauser ist Politökonom und hat in Berlin, Rom und Paris studiert. Aktuell arbeitet er in der Entwicklungsberatung sowie als Redakteur bei Surplus.

#4 – Kampf um Zeit

Freizeit ist kein Luxus. Wer sie angreift, gefährdet Wohlstand und Freiheit.

Zum Magazin