Es war ein historischer Bruch: Die AfD konnte bei der Bundestagswahl als zweitstärkste Kraft in den Bundestag einziehen. Doch die Gründe für diesen gefährlichen Wahlerfolg sind umstritten. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat nun eine umfassende Studie vorgelegt, die das Wahlverhalten von AfD-Wählern erklären soll. Die Studie zeigt deutlich: Wer die AfD stoppen will, muss ökonomische und gesellschaftliche Krisen bekämpfen – und gegen die Normalisierung von rechten Politikangeboten vorgehen.
In der Studie werden Umfragedaten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in vierzehn Wellen zwischen April 2020 und März 2025 ausgewertet. Es handelt sich um eine Panelbefragung unter Berufstätigen. Die Besonderheit ist, dass weitestgehend dieselben Personen zu verschiedenen Zeitpunkten befragt wurden. Das ermöglicht genauere Rückschlüsse über die Veränderungen persönlicher Einstellungen, als es bei nachfolgenden Zufallsstichproben der Fall wäre. Da nur Erwerbstätige und Arbeitsuchende befragt wurden, ist das Panel nicht für die Wahlbevölkerung repräsentativ, wenngleich natürlich große Überschneidungen bestehen. Das sind die vier wichtigsten Ergebnisse:
1. AfD nach wie vor bei Arbeitern stark
Die soziodemografischen Merkmale der AfD-Wählenden sind bekannt: Sie sind überdurchschnittlich männlich, mittelalt (26–55), häufig ostdeutsch und haben einen formal niedrigen Bildungsstatus. Seit der Bundestagswahl 2021 konnte die AfD jedoch ihr Wählerpotenzial ausbauen und hat bei Frauen und in Westdeutschland zugelegt. Erstmals gewann sie mit Gelsenkirchen und Kaiserslautern nach Zweitstimmenergebnis zwei westdeutsche Kreise. Gleichzeitig hat sie ihre früheren Erfolge konsolidiert und Wählermilieus gefestigt.
Bei näherem Hinschauen ergibt sich ein klarer Zusammenhang zwischen geringem Berufsprestige und AfD-Zustimmung. Als prestigeträchtig werden die Berufe definiert, die sich durch selbstständiges Entscheiden sowie Verantwortung für Personal und Material auszeichnen. Je eintöniger und fremdbestimmter die Arbeit, desto geringer ist die gesellschaftliche Anerkennung – und desto höher fällt die Zustimmung zur AfD aus. Ein weiterer Faktor ist die betriebliche Mitbestimmung: Bei Menschen, die »gar nicht zufrieden mit der Arbeit des Betriebs- oder Personalrats« sind, erhöht sich die AfD-Zustimmung auf 35 Prozent. Damit ergibt sich gerade für Gewerkschaften eine wichtige politische Aufgabe, denn gerade die gewerkschaftliche Organisation und die betriebliche Mitbestimmung haben zumindest das Potenzial, Entfremdungserfahrungen zu reduzieren und somit möglicherweise die Bereitschaft zu mindern, rechten Politikangeboten zu folgen.
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