Die Debatten um das Bürgergeld in diesem Jahr waren weitgehend unsachlich. Bundeskanzler Merz sprach von einem Sozialstaat, den man sich »nicht mehr leisten könne«, und kündigte Einsparungen in Milliardenhöhe an. Wie wenig diese Aussagen mit der Realität zu tun haben, haben jüngst Katja Rietzler und Sebastian Dullien dargelegt. Auch der neue wissenschaftliche Beraterkreis des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) und seine Mitglieder trugen nicht dazu bei, die Diskussion mit fundierten Analysen zu versachlichen – im Gegenteil. Die Debatte kulminierte in der Einführung neuer Sanktionsmöglichkeiten und einer erneuten Nullrunde.
Bei der Debatte um das Bürgergeld geht es im Kern aber weniger um Einsparungen im Bundeshaushalt. Vor dem Hintergrund einer schwächelnden Wirtschaft und der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt geht es vielmehr darum, die Position von Arbeitslosen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt zu schwächen und damit die Position von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu stärken.
Analyse: Wie wirken verschiedene Maßnahmen auf Rezession und Arbeitslosigkeit?
Dabei stellt sich aber die Frage, ob die Kürzung von Unterstützungsleistungen und steigender Druck auf Betroffene tatsächlich helfen, die Arbeitslosigkeit in einer Rezession zu reduzieren. Oder gibt es alternative Maßnahmen, die besser helfen? In einem vor Kurzem publizierten Journalbeitrag habe ich mithilfe eines agentenbasierten Modells untersucht, wie sich verschiedene Maßnahmen während einer Rezession auf die Arbeitslosigkeit auswirken – und warum.
Ich habe die Effekte dreier Maßnahmen untersucht:
- die Kürzung von Arbeitslosengeld in Kombination mit strengeren Verpflichtungen zur Jobsuche
- Stimulation des Haushaltskonsums durch direkte finanzielle Unterstützung
- Kurzarbeit
Die erste Maßnahme versucht, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem sie den sogenannten Reservationslohn einer Person senkt – also den Lohn, zu dem jemand gerade so bereit wäre, eine Arbeit aufzunehmen. Die Person soll schneller eine Beschäftigung aufnehmen, auch wenn die Bedingungen schlechter sind als bei der vorherigen Arbeitsstelle. Die anderen beiden Maßnahmen versuchen, die Nachfrage anzukurbeln oder zumindest in einer Rezession nicht noch stärker einbrechen zu lassen. Über diese Impulse soll die Produktion angekurbelt beziehungsweise stabilisiert werden, was wiederum die Arbeitsnachfrage erhöht.
Meine Analyse zeigt: Die Kürzung von Arbeitslosengeld und strengere Verpflichtungen sind kurzfristig wirkungslos und steigern langfristig sogar die Arbeitslosigkeit. Höhere Suchintensität und finanzieller Druck bringen Menschen zwar schneller in schlechter bezahlte Jobs. Doch wenn der Arbeitsmarkt ohnehin schwächelt, weil Unternehmen aufgrund gedämpfter Nachfrageerwartungen kaum einstellen, hilft die Kürzung der Unterstützung kaum.
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