zum Inhalt
Das Wirtschaftsmagazin

Studie: Aufrüstung wird die Wirtschaft kaum beleben

Höhere Militärausgaben werden die deutsche Wirtschaft nicht stark beleben. Denn die Rüstungsindustrie ist ausgelastet.

4 Minuten Lesedauer
Deutschland plant große Investitionen in Rüstung. Credit: IMAGO/Steinsiek.ch

Der Krieg in der Ukraine sowie der außenpolitische Kurswechsel der USA haben in Europa eine neue Aufrüstungsdynamik entfacht. Die Bundesregierung plant, die Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen und weitere 1,5 Prozent für militärisch notwendige Infrastrukturprojekte auszugeben. Bundeskanzler Friedrich Merz bekräftigte dieses sogenannte 5-Prozent-Ziel vor seinem Besuch bei US-Präsident Donald Trump. Kurz vor dem NATO-Gipfel in Den Haag einigten sich die Bündnisstaaten am 22. Juni auf die neue Vorgabe.

In der Haushaltsplanung der neuen schwarz-roten Regierung soll das Ziel von 3,5 Prozent des BIP bereits 2029 erreicht werden. Finanziert werden soll das Ganze größtenteils über neue Schulden. In diesem Sinne verfolgt die Bundesregierung einen Militär-Keynesianismus, wie ihn auch Ronald Reagan in den 1980er Jahren betrieben hat.  

Befürworter dieser Politik – ob Ökonomen, Politiker oder Vertreter der Rüstungsindustrie – argumentieren, dass steigende Militärausgaben der deutschen Wirtschaft einen bedeutenden Wachstumsimpuls liefern könnten: Eine erhöhte staatliche Nachfrage nach Rüstungsgütern könne die Produktion ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen. Zudem wird ins Feld geführt, dass militärische Forschung langfristig auch die Produktivität erhöht, wenn neue Militärtechnologien zivile Anwendungen finden. Kurz: Was für die deutsche Rüstungsindustrie gut ist, sei auch für die Beschäftigten und den Wohlstand in Deutschland gut. 

Allerdings deutet unsere aktuelle Studie darauf hin, dass die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft aus ökonomischer Sicht eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite ist. Die Steigerung der staatlichen Militärausgaben wird der deutschen Wirtschaft höchstens einen moderaten Anschub geben.

Wie stark ist der wirtschaftliche Effekt der Aufrüstung?

In unserer Studie Wirtschaftliche Auswirkungen öffentlicher Militärausgaben in Deutschland (Universität Mannheim) haben wir untersucht, wie sich die erhöhten Militärausgaben auf die deutsche Wirtschaft auswirken könnten. Grundlage ist das in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung etablierte Konzept des Fiskalmultiplikators. Er ist ein Maß dafür, wie stark das BIP wächst, wenn der Staat einen zusätzlichen Euro ausgibt und wird damit zu einer wichtigen Kennziffer für die wirtschaftliche Effizienz von Staatsausgaben. Im Fall der Rüstungsausgaben zeigt unsere Analyse, dass der kurzfristige Multiplikator wahrscheinlich bei höchstens 0,5, möglicherweise sogar bei null liegt. Das heißt: Ein Euro mehr für militärische Ausgaben führt bestenfalls zu 50 Cent zusätzlicher Wirtschaftsleistung oder hat im Extremfall gar keinen Effekt auf das BIP. Diese Einschätzung ist, wie jede Einordnung wissenschaftlicher Ergebnisse, mit Unsicherheit behaftet und sollte als beste »Schätzung« auf Basis aller vorhandenen Evidenz interpretiert werden. 

Abonniere unseren kostenlosen Newsletter, um diesen Text weiterzulesen:

Zum Newsletter

Gibt’s schon einen Account? Login

Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

Tom Krebs

Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik und Wirtschafts­politik an der Universität Mannheim und Mitglied in der Mindestlohnkommission.

#3 – Wir kümmern uns

Neoliberale schaffen einen Staat, der die Menschen allein lässt.
Doch es braucht gemeinsame Fürsorge.

Zum Heft