Der Vormachtstellung des Dollars droht das größte Risiko seit dem Zweiten Weltkrieg – zumindest laut dem Leiter der Devisenforschung der Deutschen Bank, George Saravelos. Nicht nur die Eskalation des Handelskriegs der USA mit China, auch die Zukunft der US-amerikanischen Swap Lines ist in Gefahr. Diese wenig diskutierten, aber milliardenschweren Abkommen zwischen Zentralbanken stützen das globale Finanzsystem, aber auch die geopolitischen Einflusssphären von Großmächten wie den USA und China.
Swap Lines ermöglichen es, die eigene Währung zum aktuellen Wechselkurs mit einer anderen zu tauschen und dann an inländische Banken weiterzuverleihen. Nach Ablauf der verabredeten Laufzeit – bei der Federal Reserve (FED) zwischen einem Tag und drei Monaten – wird zum gleichen Wechselkurs wie zu Beginn zurückgetauscht, plus Zinsen. Normalerweise leihen sich europäische Banken Dollar an internationalen Märkten. Wenn dort aber Verunsicherung herrscht, können sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Ein beträchtlicher Teil ihrer Verpflichtungen sind in Dollar dotiert. Durch die Swap Line mit der FED, die seit der Weltfinanzkrise 2007 quasi permanent besteht, kann die Europäische Zentralbank (EZB) in Krisenzeiten einspringen und Dollar an taumelnde europäische Banken verleihen.
Das passierte beispielsweise an den Tagen nach 9/11, während der Weltfinanzkrise, der Eurokrise und der Pandemie. Auch Euro, Pound, Yen oder Renminbi werden von den betreffenden Zentralbanken durch Swap Lines verliehen, aber von der FED in den Schatten gestellt, die einen Höchststand von knapp unter 600 Milliarden ausstehenden USD während der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2008 verzeichnete.
Dass die Stabilität dieser Swap-Vereinbarungen gerade jetzt infrage gestellt wird, ist kein Wunder: Die US-Regierung hat sich von der Weltgesundheitsorganisation losgesagt, die Entwicklungsorganisation USAID zerschlagen und erhebt seit dem 9. April Zölle von 145 Prozent auf chinesische Produkte, womit sie endgültig mit der Welthandelsorganisation gebrochen hat. Die USA signalisieren damit eine radikale Abkehr von internationaler Kooperation und globaler Verantwortung. Die nächste Sorge gilt dem Zugang zu USD durch Swap Lines. Zu Recht, denn die Stabilität des globalen Finanzsystems, in dem der US-Dollar Leitwährung ist, ist abhängig von dieser Notfall-Liquidität.
Die FED-Swap Lines geben Sicherheit für Kreditgeschäfte, Investitionen und Handel in USD. Und sie waren entscheidend, um einen Dominoeffekt zu stoppen, der durch die Unsicherheit während der Weltfinanzkrise und der Covid-19 Pandemie losgetreten wurde.
Gäbe es diese Absicherung in Form von Swap Lines nicht mehr, müssten Akteure wie europäische Banken und ihre Regulatoren das Risiko von USD-Aktivitäten überdenken. Ähnliches könnte anderen Finanz- und Wirtschaftszentren wie Japan, Großbritannien oder Kanada passieren – langfristig könnte sich durch diese Entdollarisierung die globale Währungshierarchie neu sortieren. Aber das Kappen von FED-Swap Lines würde nicht nur ausländische Banken vor Probleme stellen, sondern auch die mit ihnen verstrickten US-Banken. Die Bereitstellung von Dollar-Liquidität durch die FED ist also alles andere als uneigennützig. Das zeigt sich auch darin, wem sie Zugang zu Swap Lines gewährt, nämlich vor allem Ländern, die reich, kreditwürdig, in der Nähe und wichtig für die Stabilität von US-Banken sind. Der Westen hält sein Swap Line-Netzwerk klein.
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