Laut Ankündigung treten zum 6. August US-Zölle auf brasilianische Importe in Höhe von 50 Prozent in Kraft. Brasilien ist damit – neben dem kleinen afrikanischen Land Lesotho – mit den aktuell höchsten Zollsätzen auf Exporte in die USA konfrontiert. Mit China und der EU sind durch den Druck der näher rückenden Frist zur Umsetzung von Zollandrohungen kürzlich noch Abkommen zustande gekommen. Dass Donald Trump häufig mit Zollandrohungen operiert, ist nicht außergewöhnlich, doch der brasilianische Fall bietet einige Besonderheiten. Bislang begründete Trump seine außerordentlich hohen reziproken Zölle damit, dass sich Länder mit einem Handelsbilanzüberschuss auf Kosten der USA bereichern würden – eine Behauptung, die in der Fachliteratur überwiegend angezweifelt wird.
Eine andere politische Motivation
Gegenüber Brasilien, wie auch gegenüber allen anderen südamerikanischen Ländern (mit Ausnahme des kleinen ölreichen Guyanas), haben die USA jedoch einen Handelsbilanzüberschuss. Daher ist die Region bislang von expliziten Zollandrohungen verschont geblieben. Tatsächlich hat Brasilien über die letzten 15 Jahre laut offiziellen Regierungsangaben ein Handelsbilanzdefizit von 410 Milliarden US-Dollar mit den USA angehäuft. 2023 importierte die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas Waren im Wert von 43 Milliarden US-Dollar aus den USA, während sie lediglich Produkte im Wert von 33 Milliarden US-Dollar dorthin exportierte. Mit diesem Profil fällt Brasilien deutlich aus der Reihe der Länder, gegen die sich Trumps Zolldrohungen vorrangig richten.
Trumps Zorn gegen Brasilien ist politisch begründet: Vor allem die Strafverfolgung des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, eines engen Vertrauten Trumps, ist ihm ein Dorn im Auge. Bolsonaro hatte seine Wahlniederlage im Jahr 2022 nicht anerkannt. Daraufhin kam es zu einem Sturm auf die brasilianischen Regierungsgebäude – ein Ereignis, das mit dem Sturm aufs Kapitol nach Trumps Wahlniederlage im Jahr 2020 vergleichbar ist. In diesem Zusammenhang steht Bolsonaro nun wegen versuchten Putsches vor einer Anklage, die zu einer Gefängnisstrafe von bis zu 40 Jahren führen könnte. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in Brasilien im kommenden Jahr möchte Trump Druck ausüben, die Strafverfahren gegen Bolsonaro einzustellen, damit dieser als Präsidentschaftskandidat antreten kann. Dieses Interesse wird auch darin deutlich, dass neben Zöllen auch persönliche Sanktionen gegen oberste Richter des Landes verhängt wurden, die den Prozess gegen Bolsonaro vorantreiben.
Brasilien ist weniger von Exporten in die USA abhängig
In den vergangenen Wochen konnte Trump durch Zolldrohungen wiederholt vorteilhafte Abkommen mit anderen Ländern aushandeln. Beispielsweise wird der kürzliche Abschluss mit der EU von vielen Kritikern als vorteilhaft für die USA und als Einknicken gegenüber Trump gewertet. Länder mit großem Exportvolumen in die USA stehen oft mit dem Rücken zur Wand, da ihre Wirtschaft von den Exporten in die größte Wirtschaft der Welt abhängt. Dadurch sind die USA in der Lage, für sich vorteilhafte Abkommen herauszuschlagen.
Im Fall Brasiliens stellt sich jedoch die interessante Frage, inwieweit Trumps Strategie, Zölle als Druckmittel einzusetzen, gegenüber Ländern wirksam ist, die weniger stark vom US-Markt abhängig sind. Brasilien hat ein Handelsbilanzdefizit mit den USA. Würde Brasilien, wie von Präsident Lula da Silva bereits angekündigt, mit Gegenzöllen kontern, wäre die US-Wirtschaft in absoluten Zahlen stärker von den Zöllen betroffen. Allerdings gehen nur 1,4 Prozent der US-Exporte nach Brasilien, sodass der relative Verlust für die US-amerikanische Wirtschaft gering ausfiele.
Umgekehrt sind die USA für Brasilien jedoch auch kein außerordentlich wichtiger Handelspartner mehr. Nachdem die USA jahrzehntelang Brasiliens Haupthandelspartner waren, wurden sie bereits 2008 von China abgelöst. Im Jahr 2023 gingen 30 Prozent der brasilianischen Exporte in das Reich der Mitte, in die USA hingegen nur noch knapp 10 Prozent. Diese Tendenz einer Verschiebung geopolitischer Abhängigkeiten zeigt sich nicht nur für Brasilien, sondern für Südamerika im Allgemeinen.
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