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Das Wirtschaftsmagazin

Studie: Beteiligungsgesellschaften können gute Finanzierung sichern

Öffentliche Beteiligungsgesellschaften könnten gezielt Eigenkapital für kritische Infrastruktur bereitstellen. Im Einklang mit der Schuldenbremse.

4 Minuten Lesedauer
Hauptsitz der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Credit: IMAGO / Joko

Die deutsche Wirtschaft steht vor tiefgreifenden Modernisierungsanforderungen.  Das ist mittlerweile Konsens. Ob Stromnetze, Nahverkehr, Schiene, Bildung, soziale Infrastruktur oder die energetische Gebäudesanierung – der Investitionsbedarf ist enorm. Allein für die kommunale Infrastruktur beziffern Studien den Rückstand auf über 180 Milliarden Euro. Gleichzeitig limitiert die Schuldenbremse (trotz Reform und Sondervermögen) die fiskalischen Spielräume, sodass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben zunehmend an Attraktivität gewinnt. Man könne schließlich nicht die gesamten Bedarfe durch die öffentliche Hand decken, sodass privates Kapital gehebelt werden müsse – so lautet eine gängige Denkweise im politischen Berlin. Im Koalitionsvertrag wird zur Finanzierung kritischer Infrastruktur ein Fondsmodell vorgesehen, an dem sich privates Kapital beteiligen soll.

Vor diesem Hintergrund schlagen Tom Krebs und ich in einer neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Studie ein einfaches, aber potenziell weitreichendes Modell vor: die Gründung öffentlicher Beteiligungsgesellschaften, mit denen der Staat – unter Umgehung ineffizienter Privatlösungen und im Einklang mit der Schuldenbremse – gezielt Eigenkapital für kritische Infrastruktur bereitstellen kann. Die Hebung von privatem Kapital wird nämlich gerade im Infrastrukturbereich enorm teuer für Haushalte und Unternehmen.

Die Finanzierungslücke

Dass Deutschland kein Investitionsland mehr ist, ist kein Geheimnis. Seit Jahren rangieren die öffentlichen Nettoinvestitionen auf niedrigem Niveau, nicht selten unterhalb der Abschreibungen. In der Folge erodieren Kapitalstock und Leistungsfähigkeit. Sichtbar wird dies an den maroden Schulen, ausgedünntem ÖPNV und überforderten Energienetzen. Bei einer Großveranstaltung wie der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land wurde die Bahn zum Gespött des Kontinents.

Der neue »Investitionshaushalt« von Lars Klingbeil zielt darauf ab, diese Missstände zu korrigieren. Durch das Sondervermögen wurde es möglich, die Investitionen auf 116 Milliarden Euro hochzuschrauben, was zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung ist. Für einige Schlüsselbereiche der Wirtschaft allerdings lassen die grundlegenden Weichenstellungen noch auf sich warten. Vor allem im regulierten Infrastrukturbereich machen die Interessenvertreter der Finanz- und Energiewirtschaft Druck, dass möglichst viel privates Kapital mit einbezogen wird, um die Investitionsbedarfe langfristig zu decken. Doch gerade in diesem Bereich würde das zu ökonomischen Fehlanreizen führen: Wenn staatlich regulierte Unternehmen wie Stromnetzbetreiber hohe Renditeversprechen privater Investoren erfüllen müssen, steigen am Ende die Netzentgelte – und damit die Preise für Haushalte und Industrie.

Der Stromnetzausbau als Fallbeispiel

Am Beispiel des Stromnetzes rechnen wir in der Studie vor, dass der notwendige Kapitalbedarf für Netzinvestitionen bis 2045 bei rund 650 Milliarden Euro liegt. Wird davon, wie aktuell angedacht, ein wesentlicher Teil über privates Beteiligungskapital gedeckt, müssen Haushalte und Unternehmen im Vergleich zu einer rein öffentlichen Finanzierung bis 2037 insgesamt 110 Milliarden Euro und bis 2045 ungefähr 200 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Die Begründung ist einfach: Private Investoren fordern hohe Eigenkapitalrenditen (8–10 Prozent), die entweder durch höhere Netzentgelte oder staatliche Zuschüsse refinanziert werden müssen. Beides belastet entweder die Haushalte und Unternehmen direkt (über höhere Kosten) oder indirekt über den Haushalt.

Der Vorschlag unserer Studie: Der Staat könnte mit öffentlichen Beteiligungsgesellschaften selbst als Eigenkapitalgeber auftreten – nicht in Form von Förderprogrammen oder Subventionen, sondern über gezielte Unternehmensbeteiligungen. Diese wären bilanziell schuldenbremsenneutral, da es sich um finanzielle Transaktionen handelt. Gleichzeitig würden die Finanzierungskosten massiv sinken, mit spürbaren Effekten auf die Nutzerpreise.

Ein übertragbares Modell: Von Netzen zu Schulen, von Schiene zu Wärme

Was für das Stromnetz gilt, lässt sich auf viele andere Bereiche übertragen: Nahverkehr, Wärmenetze, Wasserwirtschaft, sozialer Wohnungsbau, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen – all dies sind natürliche oder funktionale Monopole mit hoher öffentlicher Relevanz, aber ohne funktionierenden Wettbewerb. Private Beteiligungen führen nicht zu Innovation, sondern oft zu verdeckter Renditeumverteilung.

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Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

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