Seltene Erden treiben die Weltwirtschaft an – im wörtlichen Sinne: Neodym und Dysprosium stecken in Elektromotoren, die Förderbänder im Supermarkt oder am Flughafen bewegen; Permanentmagneten mit Praseodym, Samarium und Terbium finden sich in E-Autos, Windrädern und Medizintechnik. Viele der 17 Elemente sind zudem essenziell für sogenannte Dual-Use-Güter, also Technologien mit ziviler wie militärischer Anwendung, darunter Halbleiter, Sensoren oder Lasersysteme. Doch obwohl sie gar nicht so »selten« sind, sondern sich ihre Vorkommen über den ganzen Globus erstrecken, konzentrieren sich Abbau und Weiterverarbeitung in einem Land: China.
Rund 70 Prozent der globalen Förderung und bis zu 90 Prozent der Raffination entfallen auf chinesische Unternehmen, die zusätzlich große Mengen Erz aus dem Ausland, vor allem dem benachbarten Myanmar, importieren. Auch bei Bergbautechnologie und Recycling ist China führend. Zwischen 1950 und 2019 meldeten chinesische Firmen fast 26.000 Seltenerd-Patente an, deutlich mehr als Japan (knapp 14.000) und die USA (knapp 10.000). Deutschland importierte 2024 insgesamt 65,5 Prozent der Seltenen Erden aus China; im selben Jahr importierte die EU 46,3 Prozent der Seltenen Erden aus China. Bei einzelnen Elementen ist die Abhängigkeit jedoch höher: 97,7 Prozent der Importe von Neodym, Praseodym und Samarium kamen 2024 aus China in die EU. Hinzu kommt die Abhängigkeit von weiterverarbeiteten Produkten wie Seltenerdmagneten.
Seltene Erden als »Chokepoints«
Seit China im April 2025 neue Exportkontrollen für sieben Seltene Erden eingeführt hat, ist die Aufmerksamkeit für die Metalle sprunghaft gestiegen. Die Süddeutsche Zeitung titelte im August 2025 von der »Erpressung der Welt« und schrieb: »Seltene Erden sind geopolitische Munition, mit der Peking dem Westen den Hahn zudreht«. Dieses Bild verweist auf ein Phänomen, das auch in der politischen Ökonomie zunehmend diskutiert wird: Entgegen den Annahmen von liberalen Theoretikerinnen und Theoretikern, dass wirtschaftliche Interdependenz zu Frieden zwischen Staaten beiträgt – nach der Logik: wer abhängig ist, bekriegt sich nicht –, wird eben jene Abhängigkeit zur Waffe. In ihrem viel beachteten Buch The Uses and Abuses of Weaponized Interdependence (2021) analysieren Daniel W. Drezner, Henry Farrell und Abraham L. Newman, wie Staaten strukturelle Macht in globalen Produktionsnetzwerken nutzen, um an strategischen »Chokepoints« (wörtlich: Würgepunkten) Druck auf andere auszuüben. Diese Strategie ist freilich nicht nur der chinesischen Regierung zu eigen: Unter Präsident Biden verhängten die USA 2022 verschärfte Exportkontrollen für Halbleiter, an deren Produktion US-Softwarefirmen beteiligt sind. Offizielle Begründung: Halbleiter sind ein Dual-Use-Produkt. Zahlreiche chinesische Firmen blieben fortan außen vor, was nebenbei auch ihren wirtschaftlichen Aufstieg erschwert.
Auch Seltene Erden sind ein solcher »Chokepoint«. Aber warum nimmt die chinesische Regierung eine derart zentrale Position in den globalen Produktionsnetzwerken von Seltenen Erden ein, dass sie die Abhängigkeit anderer instrumentalisieren kann? Laut der Behörde US Geological Survey (USGS) verfügt China mit rund 44 Millionen Tonnen über etwa die Hälfte der weltweiten Reserven. Doch auch in Brasilien, Australien, Indien, Myanmar, Russland, Vietnam und den USA lagern signifikante Vorkommen. Chinas dominierende Stellung in der Wertschöpfungskette ist also nicht nur geologisches Glück: Wie in anderen Bereichen auch, basiert Chinas wirtschaftlicher Erfolg auf jahrzehntelanger Industriepolitik, gepaart mit niedrigen Arbeits- und Umweltstandards. Bereits in den 1970er Jahren entwickelte der Chemiker Xu Guangxian im Auftrag der Regierung ein finanziell kostengünstiges Extraktionsverfahren, dessen Umweltkosten jedoch umso höher sind: Giftige, mitunter radioaktive Abfälle verseuchen die Umgebung der Minen. Insbesondere in den 1980ern und 1990er Jahren schaute die chinesische Regierung hier lieber weg – und förderte den Abbau, die Weiterverarbeitung und den Export von Seltenen Erden unter anderem mit Steuervergünstigungen. Andere Produzenten konnten auf dem Weltmarkt kaum mithalten.
