Es ist eine Hochzeit der Extralative: Amazon-Gründer Jeff Bezos, einer der reichsten Menschen der Welt, heiratet die Schauspielerin und ehemalige Journalistin Lauren Sánchez in Venedig. Die Gästeliste liest sich wie das Who’s who der globalen Elite: Oprah Winfrey, Kim Kardashian, Leonardo DiCaprio, Bill Gates. Sie alle reisen in insgesamt beinahe 100 Privatjets an. Rund 250 Gäste werden mit Wassertaxis durch Kanäle chauffiert, als sei die sinkende Stadt ihre private Kulisse für eine Inszenierung von Macht und Überfluss. Während in den Palazzi die Champagnergläser klingen, formiert sich Protest in den Gassen.
Denn es geht hier nicht nur um eine Hochzeit, sondern um das, was sie symbolisiert: Eine Geldelite erklärt Venedig zu ihrem ganz privaten Ballsaal. Auf großen Bannern machten die Aktivistinnen und Aktivisten ihrem Ärger Raum und schrieben »No space for Bezos« – eine Anspielung auf das Raumfahrt-Unternehmen Blue Origin, das Bezos gehört. Ihre Stadt, so die Venezianerin und Sprecherin der Aktivistengruppe Federica Toninelli, wird zunehmend privatisiert und von der globalen Geldelite »gestohlen«. Wem, so fragt Toninelli, gehört die Stadt: den Menschen, die dort leben, oder den Überreichen?
Nicht alle Venezianerinnen und Venezianer teilen diese Einstellung. Bürgermeister Luigi Brugnaro fühlt sich ob des prominenten Besuchs überaus geehrt und auch die Tourismusbranche und ansässigen Dienstleister freuen sich über die vollen Auftragsbücher. Immerhin gehen 80 Prozent aller Aufträge von den Wedding-Planern an die lokalen Anbieter. Das Spektakel dürfte enorme Einnahmen generieren. Vier der luxuriösesten Hotels sind komplett ausgebucht, die Schätzungen für die Kosten belaufen sich auf insgesamt 10 bis 50 Millionen Dollar. Die New York Times merkte denn auch an: »Man heiratet schließlich nur ein paar Mal im Leben. Warum also nicht in die Vollen gehen?« (Für Bezos ist es die zweite, für Sánchez die dritte Ehe.) Wir sprechen hier von einer Summe, die für die meisten unvorstellbar scheint. Wie um alles in der Welt und in Venedig kann man bis zu 50 Millionen Dollar für eine dreitägige Party ausgeben? Für Bezos sind diese Ausgaben kein Problem. Für die Protestierenden hingegen schon.
Geld für die Hochzeit, aber nicht für die Steuern
Vor wenigen Tagen entrollte Greenpeace ein zwanzig mal zwanzig Meter langes Banner auf dem Markusplatz, auf dem über einem keck grinsenden Bezos geschrieben stand: »If you can rent Venice for your wedding, you can pay more tax« – wenn Bezos Venedig für seine Hochzeit mieten kann, könne er auch mehr Steuern zahlen. Amazon macht weltweit Milliardenumsätze, zahlte aber über Jahre hinweg kaum bis gar keine Steuern, weil sich der Konzern mit Firmensitzen in Steuersümpfen um die Zahlungen drücken konnte. Inzwischen muss Amazon Dank des internationalen Abkommens für die Besteuerung multinationaler Konzerne seine Umsätze auch in Deutschland verbuchen. Doch noch immer, so die Otto-Brenner-Stiftung, bezahlt jeder kleine Buchhändler pro Euro Umsatz das Dreifache an Steuern im Vergleich zum US-Konzern.
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