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Die 3 wichtigsten Tech-News der letzten Wochen
- KI-Industrie in Europa: EU billigt 1,2-Milliarden-Fördertopf für eigene »KI-Gigafabriken« (Link)
Wichtig, weil Europa so eigene Konkurrenz zu US- und China-Konzernen aufbauen will. - Brasilien macht Plattformen haftbar (Link)
Wichtig, weil Brasilien als eines der ersten Länder Plattformen wie Meta, Google, X und TikTok für Nutzer‑Posts haftbar macht. - KI-Training für Lehrkräfte – Tech drängt in die Schulen (Link)
Wichtig, weil Microsoft und OpenAI Schulen für ihre Tools gewinnen wollen während Trump zeitgleich Bildungsgelder streicht. Big Tech springt ein, wo der Staat sich zurückzieht.
Thema der Woche:
Musks neue Partei
Musks neue Partei
Elon Musk kündigt an, eine eigene Partei zu gründen. Die »America Party« soll eine Alternative zu einem System sein, das aus seiner Sicht festgefahren und korrumpiert ist. Musk spricht über Disruption, Innovation und das Aufbrechen der gewohnten politischen Strukturen. Auf den ersten Blick klingt das nach dem klassischen Silicon-Valley-Versprechen: Wenn Institutionen scheitern, können Gründer sie neu bauen. Aber wie realistisch ist das – und was bedeutet es politisch?
Beginnen wir mit einer einfachen Beobachtung: Das amerikanische Parteiensystem ist extrem resistent gegen Newcomer. Die beiden großen Parteien verfügen über eine jahrzehntelange Infrastruktur, massive Finanzierung, rechtliche Hürden für neue Bewegungen. Selbst der Geschäftsmann Ross Perot, der im Jahr 1992 als unabhängiger Kandidat Demokraten und Republikaner herausforderte, veränderte am Ende wenig am System. Er sammelte Stimmen, aber das Zweiparteiensystem blieb bestehen. Musks eigene Unterstützer geben zu, dass es mindestens eine Milliarde Dollar und eine langfristige Verpflichtung brauchen würde, um eine ernsthafte landesweite Partei aufzubauen.
Aber Musk ist kein naiver Kandidat. Er wird wissen, dass es gar nicht nötig ist, eine stabile, mehrheitsfähige Alternative zu etablieren. Schon die bloße Androhung, ins Rennen zu gehen, kann politische Macht erzeugen. Wenn er in einem Swing State ein paar Prozent abzieht, kann das über Sieg oder Niederlage entscheiden. In einer Zeit, in der das Vertrauen in politische Institutionen bröckelt, kann so eine Bewegung zu einem bequemen Hebel werden: ein Weg, politische Konzessionen zu erzwingen, ohne jemals echte Verantwortung zu übernehmen. Das wirft eine unangenehme Frage auf: Ist die »America Party« wirklich eine demokratische Alternative – oder vor allem ein Instrument der Einflussnahme?
Reuters (Link) beschreibt die schiere organisatorische Herausforderung: In allen 50 Bundesstaaten müssten Kandidaten auf die Wahllisten kommen. Das bedeutet hunderte, wenn nicht tausende lokale Parteistrukturen, Koordinierung, fundierte Kampagnenarbeit. Ross Perot hatte in den 1990ern Millionen Dollar und einen hohen Bekanntheitsgrad – und scheiterte dennoch daran, ein nachhaltiges Partei-Netzwerk zu schaffen. Heute ist der Aufwand noch größer, die Anforderungen sind noch strenger.
Politico (Link) argumentiert, dass Musks Ansatz – der aus dem Tech-Sektor stammt – an der politischen Realität zerschellen könnte. In der Tech-Welt sind Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Regelbruch Teil des Geschäftsmodells. »Move fast and break things« mag als Start-up-Mantra sexy klingen, ist aber gefährlich, wenn man politische Institutionen auf dieselbe Art behandeln will. In einer Demokratie braucht man Kompromissfähigkeit, Verlässlichkeit, langsame, schwerfällige Aushandlungsprozesse. Musk jedoch verkauft genau das als Problem.
Und dann ist da die ideologische Substanz. Die America Party klingt disruptiv, ist aber letztlich eine Light-Version republikanischer Standardrezepte. Weniger Staat, weniger Regulierung, weniger Steuern. Das ist keine Alternative zum System, sondern eine Art Franchise-Modell der GOP, nur mit Musks Gesicht auf dem Werbeplakat. Seine Partei wäre nicht die Überwindung des Status quo, sondern dessen Privatisierung.
Das Entscheidende liegt aber noch tiefer. Es geht nicht nur darum, ob Musk Erfolg hat. Sondern wie er Einfluss nimmt. Denn die Macht liegt nicht darin, Wahlen zu gewinnen. Sie liegt darin, das Spielfeld so zu verschieben, dass alle anderen auf ihn reagieren müssen. Schon die bloße Drohung, Stimmen abziehen zu können, zwingt etablierte Parteien, sich anzupassen. Er muss keine Mehrheiten aufbauen. Er muss nur Macht aufbauen – und die kann er jederzeit verhandeln.
Politik als Plattformgeschäft?
Eine Plattform ist nicht dazu da, eine einzelne Lösung zu bieten. Sie ist dazu da, andere Akteure voneinander abhängig zu machen. Plattformen definieren die Regeln, erheben Mautgebühren, behalten die Kundendaten und kontrollieren die Sichtbarkeit. Sie brauchen keine Loyalität zu einer Idee – nur genug Marktanteil, um unentbehrlich zu sein. Das ist genau die Logik, die Musk in all seinen Firmen perfektioniert hat: Den Gatekeeper spielen. Bestimme die Bedingungen, unter denen andere handeln. Und wenn Musk diese Logik auf Politik überträgt, entsteht eine Partei, die nicht für politische Inhalte steht, sondern für Deals, Erpressungspotenzial und strategische Unberechenbarkeit.
Das passt erschreckend gut zu einem Teil der Ideologie der Tech-Elite. Diese feiert den Wettbewerb, den Markt, das Individuum – und verteufelt den Staat als ineffizient und korrumpiert. Doch zugleich will sie selbst unreguliert agieren, Netzwerkeffekte ausnutzen und Monopole aufbauen. Sie lehnt Demokratie nicht immer offen ab, aber sie umgeht sie dort, wo sie stört. Statt demokratischer Öffentlichkeit bietet sie personalisierte Feeds. Statt institutioneller Kontrolle bietet sie Self-Regulation und PR.
Am Ende ist das die gefährliche Vision: Politik als Plattform, die von einem einzigen Player kontrolliert wird. Nicht, weil er gewählt wird. Sondern weil er zu groß ist, um ihn zu ignorieren. Eine Partei wie ein Social Network – intransparent, personalisiert, algorithmisch verstärkt, aber demokratisch kaum kontrolliert. Genau deshalb sollten wir uns weniger fragen, ob Musk tatsächlich kandidiert, sondern was sein Vorgehen über Macht im digitalen Zeitalter verrät. Wollen wir wirklich zulassen, dass Politik nach den Regeln des Plattformkapitalismus funktioniert? Dass Demokratie zu einem weiteren Markt wird, in dem Aufmerksamkeit wichtiger ist als Verantwortung?
Denn am Ende ist eine Demokratie nur so stark wie ihre Fähigkeit, auch die Mächtigen zu binden – und nicht umgekehrt. Eine Gesellschaft, die zulässt, dass einzelne Vermögende die Regeln diktieren, verliert ihr Fundament: die Idee, dass Macht legitimiert, geteilt und kontrolliert werden muss. Und das ist eine Debatte, die weit über Elon Musk hinausführt – aber bei ihm besonders deutlich wird.
Cliffhanger
Weiß eigentlich jemand, was in dieser KI steckt?
Mozilla hätte da mal eine »Frage« an OpenAI, Google & Microsoft:
Welche Daten nutzt ihr?
Kleiner Hinweis: Sie wollen nicht antworten
Bis zur übernächsten Woche,
Aya Jaff