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Das Wirtschaftsmagazin

Ein norwegischer Fjord im Zentrum europäischer Rohstoffpolitik

Nachdem die EU im Juni eine norwegische Kupfermine als »strategisch« wichtig deklariert hat, spitzt sich die Lage für die indigenen Sámi drastisch zu.

7 Minuten Lesedauer

Am Repparfjord dauert der Widerstand gegen eine Kupfermine schon lange an. Credit: Natur og Ungdom/Rasmus Berg

Es ist Februar 2019, der für Bergen typische Regen prasselt auf unsere Regenjacken. Auf dem Hauptplatz der Stadt streckt rechts von mir eine junge Frau ein Transparent in die Höhe. In Großbuchstaben lese ich »Gruve Slam – Norges Skam«. Auf Norwegisch ein perfekt zu rufender Reim, übersetzt ein wenig holprig, aber nicht weniger warnend: »Bergbauschlamm – Norwegens Schande«.

Mit dem Bergbauschlamm ist der aus dem geplanten Kupferbergbau entstehende toxische Schlamm gemeint, den das norwegische Unternehmen Nussir ASA in den geschützten Repparfjord ablassen möchte. Das sogenannte Mine Waste Dumping ist nur in zwei Ländern weltweit erlaubt, und Norwegen – es mag der allgemeinen Reputation des Landes widersprechen – gehört dazu.

Im Winter 2019 hatte die norwegische Regierung mehr als 1.300 Kilometer vom besagten Fjord entfernt und die Genehmigung für das Bergbauprojekt gegeben. Der damalige Industrieminister Torbjorn Roe Isaksen wies darauf hin, dass mit dem Projekt die industrielle Basis im hohen Norden geschaffen werde. Umweltorganisationen hatten daraufhin Proteste im ganzen Land organisiert. Bereits seit 20 Jahren hat das Bergbauunternehmen daran gearbeitet, die Kupfermine wieder an den Start zu bringen, aber der lokale Widerstand durch die indigenen Sámi sowie Umweltschützerinnen und -schützer ist beständig und die geäußerten Kritikpunkte stimmen auch potenzielle Abnehmer des Kupfers skeptisch. Das wird am Beispiel Europas größter Kupferschmelze Aurubis deutlich.

Die deutsche Aurubis und ihr kurzes Intermezzo

Während in Norwegen nach der Bekanntgabe der Genehmigung Proteste aufkommen, schließt Aurubis (Sitz in Deutschland) im August 2020 ein Memorandum of Understanding (MoU) mit Nussir ASA ab. Darin erklären sie ihre Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt einen Liefervertrag über die Abnahme der Kupferkonzentrate aus der Nussir-Mine zu schließen. Nur ein Jahr später, im August 2021, wird das MoU wieder aufgelöst. Aurubis begründet dies damit, dass »bestimmte soziale Aspekte des Projekts« noch stärker berücksichtigt werden müssten. Der Zeitpunkt erscheint nicht zufällig, hatten sich die Proteste kurz zuvor noch einmal verstärkt. Ausgangspunkt war, dass die zuständige Gemeinde Hammerfest einen weiteren Entwicklungsplan von Nussir ASA genehmigt hatte.

Daraufhin reichte ein Zusammenschluss aus Sámi und Umweltorganisationen eine Beschwerde bei der Gemeinde ein, da sie Fehler in der Fallbearbeitung befürchteten. Den weiteren Prozess brachten sie damit für eine Zeit zum Halten. Zudem sorgten Aktionen zivilen Ungehorsams auf dem Betriebsgelände für öffentliche Aufmerksamkeit. So ging die deutsche Aurubis nur ein Jahr nach Kooperationszusage auf Abstand, statt  auf weitere Zusammenarbeit.

Die Rechte der Sámi in der Finnmark in Gefahr

Der Repparfjord liegt auf Sápmi Land. Sápmi ist der kulturelle und geographische Raum der Sámi, der sich über Teile Norwegens, Schwedens, Finnlands und Russlands erstreckt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre setzte die norwegische Regierung eine rassistische Norweginisierungspolitik um, die sich explizit gegen indigene Völker, wie die Sámi, die Waldfinnen oder die Kwenen, richtete. So wurden indigene Kinder von ihren Eltern getrennt, das Sprechen ihrer indigenen Sprachen oder das Ausüben ihrer kulturellen Praktiken wurde verboten. Das oberste Ziel war ein kulturell einheitliches Norwegen – ein rassistischer Traum. Das hat tiefe Wunden in der indigenen Gemeinschaft erzeugt, die trotz einer offiziellen, aber auch viel zu späten Entschuldigung, weiterhin sichtbar sind.

So auch am Repparfjord, wo die betroffenen Sámi ihr Recht auf freie, vorherige, informierte Zustimmung (FPIC, Free Prior and Informed Consent) verletzt sehen. FPIC verpflichtet Staaten dazu, die Zustimmung indigener Völker einzuholen, bevor Projekte ihre Lebensgrundlagen betreffen. Im genannten Fall wäre Norwegen demnach als Staat verpflichtet gewesen, die betroffenen Sámi zu konsultieren. Bei FPIC handelt es sich nicht um beliebige Sonderrechte, sondern um allgemein geltende Menschenrechte – festgelegt in der Konvention Nr. 169 der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO), das als einziges internationales Rechtssystem zum Schutz der Rechte Indigener gilt. Norwegen hatte es als eines der ersten Länder ratifiziert und wäre demnach als Staat verpflichtet gewesen, die betroffenen Sámi zu konsultieren und FPIC umzusetzen. Theoretisch könnten die Sámi dieses Recht auf internationaler Ebene einklagen, ein Ergebnis wäre aber nur eine Rüge. Nationale Gerichte in Norwegen hingegen könnten das Projekt stoppen, Genehmigungen für nichtig erklären oder Entschädigungen zusprechen. Das war in Norwegen schon einmal beim Windpark Fosen der Fall, dort laufen bis heute Gespräche über einen Rück- oder Umbau.

Bergbau: Mehr Lärm, mehr Staub, mehr Vibrationen

Derweil ist August 2025, dieses Mal stehe ich nicht im Regen, sondern sitze in der Abendsonne auf einem Rentierfell mit Blick auf den Fjord. Es ist der Fjord, der die Gemüter bewegt und mir seit 2019 ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Neben mir sitzt der Rentierhirte und Sámi Aslak Henrik Lango. Seit zwanzig Jahren kämpft er mit weiteren Samí und Umweltaktivistinnen und -aktivisten für die Rechte der indigenen Gruppe und ihrer Rentiere, um Weideflächen und den Fjord, kurz: um ihre Existenz und Zukunft. Sich daher gegen die Pläne von Nussir ASA sowie jegliche Genehmigungsvorhaben der Gemeinde Hammerfest zu widersetzen, sehen sie als eine existentielle Notwendigkeit.

Neben dem genannten toxischen Bergbauschlamm, der den geschützten Lachs im Repparfjord und das ganze Ökosystem in erhebliche Gefahr bringen könnte, erwähnt Lango die gravierenden Auswirkungen für die Rentierhaltung. Das Gebiet rund um und auf der geplanten Mine stellt einen wichtigen Rückzugs- und Lebensort für die Rentiere, insbesondere in der Kalbsaison, dar. Explosionen in der Untergrundmine, der zunehmende Verkehr durch den Abtransport der Erze oder die neuentstehende Infrastruktur, seien es neue Belüftungsschächte für die Mine oder Stromtrassen, würden eine gefährliche Stressbelastung für die Rentiere und ihren Lebensraum bedeuten. Lango ist sichtlich besorgt und äußert große Dankbarkeit gegenüber den jungen Umweltaktivistinnen und -aktivisten, die ihm zufolge mit ihren Körpern Tag und Nacht die Rechte der Sámi und den Erhalt des Repparfjords schützen würden. Ich frage Lango, was in der jetzigen Situation anders sei als in den zwanzig Jahren, die er den Fall beobachtet, und ab wann Veränderungen auf dem Betriebsgelände zu beobachten waren. Er muss nicht lang überlegen: Als die Explosionen von Blue Moon Metals im Juni dieses Jahres begannen, sagt er bestimmt.

Umweltaktivistinnen und -aktivisten haben die Zufahrten zur Mine blockiert. Credit: Natur og Ungdom/Rasmus Berg

Blue Moon Metals ist das kanadische Bergbauunternehmen, das seit November 2024 mit Nussir ASA fusionierte und nun vor Ort Fakten schafft, beispielsweise in Form erster Sprengungen eines Testtunnels am 12. Juni 2025. Mitten in der Kalbsaison, trotz weiterhin unklarer Genehmigungslage. Kurz darauf war die norwegische Umweltorganisation Natur og Ungdom vor Ort, errichtete das Protestcamp und blockierte gemeinsam mit Sámi-Rentierhirtinnen und -hirten die Zufahrten zu der geplanten Mine. Der Widerstand hält weiterhin an und die Protestierenden erfahren internationale Solidaritätsbekundungen und mediale Aufmerksamkeit.

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Hannah Pilgrim

Hannah Pilgrim ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet an der Seite zivilgesellschaftlicher Akteure seit mehr als zehn Jahren zur deutschen und europäischen Rohstoffpolitik und ihren ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen weltweit.

#4 – Kampf um Zeit

Freizeit ist kein Luxus. Wer sie angreift, gefährdet Wohlstand und Freiheit.

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