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Das Wirtschaftsmagazin

Padel und Co.: Wie Risikokapital den Freizeitsport übernimmt

Der Padel-Sporttrend ist ein weiterer Schritt zur Finanzialisierung aller Lebensbereiche. Risikokapital kommerzialisiert unsere Freizeit – mit gefährlichen Folgen.

7 Minuten Lesedauer

Padel, Yoga und Reformer-Pilates sind die aktuellen Trendsportarten. Collage: Surplus/IMAGO/YAY Images/Zoonar/Funke Foto Services

In Berlin, Frankfurt oder München trifft man sich nicht mehr zum Tischtennis, nicht im Sportverein, sondern zum Padeln. Damit ist nicht der Wassersport gemeint, sondern eine Mischung aus Tennis und Squash: Padel – eigentlich spanisch »Padél« ausgesprochen. In den 1970er Jahren in Spanien und Südamerika groß geworden, verbreitet es sich nun auch in anderen europäischen Ländern. Überall ploppen die Felder auf, teilweise an oder neben der Stelle, an der einst ein klassischer Tennisplatz stand.

Sport ist doch immer gut, wird einem entgegengehalten, äußert man Zweifel am Hype um immer neue Sporttrends – und das ist auch nicht falsch. Kritikwürdig jedoch wird es, wenn die Möglichkeiten, sich gemeinsam mit seinen Mitmenschen zu bewegen, immer teurer und unzugänglicher werden. Früher kostete die Vereinsmitgliedschaft vielleicht ein bis zweihundert Euro pro Jahr, oft weniger. Heute haben wir unser nur schwer kündbares Fitnessstudio-Abo für 40 Euro im Monat, nehmen einmal die Woche eine Pilates-Class für 30 Euro, und treffen uns bald einmal wöchentlich mit unseren Freundinnen und Freunden zum Padel für 10 bis 20 Euro pro Person. Dazu kommen mehr oder weniger obligatorisch: das Lululemon-Yoga-Fit, der Padel-Schläger, die Fitnessuhr, das Preworkout und Kreatin davor, der Proteinshake oder Matcha danach.

Mit Sport wird immer mehr Geld verdient. Es handelt sich längst um eine äußerst profitable Industrie: Im vergangenen Jahr machte die gesamte Fitnessbranche in Deutschland einen Umsatz von circa 6 Milliarden Euro – der Einzelhandel mit Fitnessartikeln ungefähr genauso viel. Doch der Padel-Trend zeigt exemplarisch neue Qualitäten des Geschäftsmodells Sport, und in welche Richtung wir uns bewegen: weg vom nichtkommerziellen Verein, hin zum hochskalierten Lifestyle-Angebot mit Sport-Ikonen als Investoren und Testimonials. Finanziert wird all das oft durch Venture Capital, also Risikokapital, das gegen Unternehmensanteile bereitgestellt wird, um Startups in frühen oder Wachstumsphasen zu finanzieren – oft mit dem Ziel, die Anteile später mit hohem Gewinn zu verkaufen. 

Pilates walked, so Padel could run

Es ist nicht das erste und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass eine bestimmte, als besonders neu und innovativ vermarktete Sportart derart hochgejazzt wird. Auch wenn die Geschwindigkeit, in der das geschieht, bei Padel besonders schnell ist (in wenigen Jahren sind über 1.000 Plätze in Deutschland entstanden), haben wir Ähnliches bereits mit Fitnessstudios, Yoga und schließlich mit Pilates erlebt. Auch das Bouldern muss hier ehrenwerterweise erwähnt werden. Jede dieser Aktivitäten hat genau auf den entsprechenden Zeitgeist gepasst: Yoga und Gym haben mit ihrem Fokus auf das Individuum und innere Stärke hervorragend die psychischen Verwerfungen der neoliberalen Phase in den Nuller- und Zehnerjahren aufzufangen versucht. Pilates führte uns in den vergangenen Jahren in die Ökonomie der Influencer und »Clean Girls«, die nicht zu stark ausgeprägte Muskeln haben sollen, sondern vor allem skinny und toned zu sein haben. Dass mit Padel nun eine Sportart durchstartet, die gemeinsam und nicht nur nebeneinander praktiziert wird, kann als Zeichen gedeutet werden, dass sich gerade junge Menschen wieder mehr nach Verbindung und Zugehörigkeit sehnen. Ego-Sport ist out, Selbstoptimierung überfordert das Individuum zunehmend, und der Spaß am Sport an sich, nicht zum Abnehmen oder Muskeln zulegen, ist zurück. Wäre das nicht schön?

Eine Frage des Geldes

Sporttrends sind nicht nur Spiegel unserer Zeit und unserer Ökonomien, sie sind Teil dessen. Im Kontext der sich seit Jahren zuspitzenden Teuerungskrise werden zumeist die größten Posten – das Wohnen, die Energie, die Lebensmittel – genannt, Freizeit dagegen gerne ausgeklammert. Aus nachvollziehbarem Grund, denn bei ersterem geht es schließlich ums (Über-)Leben und um Dinge, auf die man schlicht nicht verzichten kann. Das Leben, und erst recht das gute, besteht aber nicht nur aus dem (Über-)Lebensnotwendigem. Es findet statt in Treffen mit Freundinnen, Bewegung, Gesundheit, Kultur, Genuss, Urlaub. All diese Dinge sind beträchtlich teurer geworden, Beobachterinnen sprechen bereits von »Friendflation«. Denn es gibt immer weniger Orte, an denen man gemeinsam kostenlos Zeit verbringen kann, ohne zu konsumieren, und die Dinge, die Menschen gerne mit anderen gemeinsam konsumieren, kosten mehr. Freundschaften selbst werden also teurer.

Dienstleistungen werden nicht nur teurer, sondern sie werden auf dem Markt auch immer öfter von Franchise-Unternehmen, Ketten oder Startups mit viel Geld aus großangelegten Fonds angeboten. Im Sport hat sich vor allem das Ketten-Modell etabliert, Fitnessstudios operieren längst deutschlandweit und in Masse. Lokal nehmen sie zwar häufig eine Monopolstellung ein, doch einzelne, sehr reiche Investoren, oder große Kapitalfonds, sind in diesem Bereich bislang nicht dominant. Und auch Yoga- oder Pilates-Kurse mögen teuer sein, doch besonders stark auf wenige Personen oder Unternehmen konzentriert ist das investierte Kapital dahinter nicht. 

Sport von oben

Anders sieht es beim Padel aus. Zu den größten Padel-Anbietern zählt »Mitte Padel«, beziehungsweise, wie der CEO und Ko-Gründer Bastian Krautwald auf eine Surplus-Anfrage erklärt, einfach »mitte«. Krautwald hat zuvor das Portal Deinestudienfinanzierung und auch die Finanzplattform Wajve gegründet, mit Ersterem ist er in der Sendung »Die Höhle der Löwen« bekannt geworden und hat es im vergangenen Jahr in einem Millionen-Deal verkauft. Zum Gründerinnen-Team gehören auch Laurén Schmidt (COO, ehemals Managerin bei Gorillas) und Sven Wissebach (CFO, Finanzmanager).

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Xenia Miller

Xenia Miller ist Redakteurin bei Surplus. Sie hat vorher bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gearbeitet und Politikwissenschaften, Soziologie und Politische Theorie studiert.

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