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Das Wirtschaftsmagazin

Die Bundesregierung schafft es nicht, Mietende vor Wucher zu schützen

Ein Berliner Fall zeigt, dass Strafen für Mietwucher möglich sind. Doch die Verantwortlichen in Union und SPD schützen Menschen nicht genug.

4 Minuten Lesedauer

Die Gesetze zum Schutz von Mietenden müssen nachgeschärft werden. Credit: IMAGO/CHROMORANGE

Die SPD war einmal eine Mieterpartei. Doch auch auf diesem Feld hat sie sich in den letzten drei Jahrzehnten massiv gewandelt. Nicht einmal das Mindeste versucht die Partei für Mietende durchzusetzen: einen wirksamen Schutz vor extrem überhöhten Mieten. Die SPD-Bauministerin Verena Hubertz und SPD-Justizministerin Stefanie Hubig verschieben eine Reform der Mietwucherregelungen lieber auf übermorgen, obwohl Mietende in Deutschland sie schon seit Jahren dringend brauchen. Dabei liegt die Lösung in Form von mehreren Gesetzentwürfen längst auf dem Tisch.

Wuchermieten liegen 20 oder sogar 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ersteres ist eine Ordnungswidrigkeit, zweiteres eine Straftat, die theoretisch sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Theoretisch – denn praktisch sind beide Regeln in den vergangenen Jahren kaum angewandt worden. Nicht etwa, weil es so selten vorkommt, dass Vermietende sich in schwindelerregender Höhe oberhalb des Mietspiegels befinden. Im Gegenteil: Allein über eine App der Partei Die Linke meldeten im ersten Halbjahr 2025 mehr als 5.000 Mietende verdächtig hohe Mieten, die dann an die zuständigen Ämter übermittelt wurden – und das in nur neun Städten.

Doch Vermietende hatten in den vergangenen Jahren nicht viel zu befürchten. Allein die Wuchermieten reichten vor Gericht nicht aus, um gegen die Vermietenden zu entscheiden. Zusätzlich muss belegt werden, dass Vermietende ein geringes Angebot und damit die Not der Mietenden ausnutzen. Es muss also bewiesen werden, dass in der gesamten Gemeinde keine günstigere Wohnung zu finden war. Praktisch ist dieser Nachweis kaum möglich. So wurde eines der wenigen Gesetze, um Mietende nicht allein zu lassen, unbrauchbar, obwohl es sich eigentlich um ein ziemlich wirksames Instrument handelt. Denn im Gegensatz zur Mietpreisbremse, die Mietende allein juristisch durchsetzen müssen, sind bei Wuchermieten theoretisch die Behörden gefragt, um gegen die Ordnungswidrigkeit oder Straftat vorzugehen.

Es ginge auch anders

Nun kam aus Berlin eine überraschende Nachricht: Einer Vermieterin wurde ein Bußgeld von 26.000 Euro verhängt. Sie hatte die ortsübliche Vergleichsmiete um saftige 190 Prozent überschritten. Zusätzlich kann die ausgebeutete Mieterin die überhöhte Miete zurückverlangen – in diesem Fall 22.000 Euro. 

Das Problem ist aber: Das Bußgeld wurde vom Wohnungsamt in Friedrichshain-Kreuzberg verhängt. Dort gibt es eine Stelle, die sich gesondert mit Wuchermieten befasst. Das haben andere Bezirksämter in Berlin nicht. Und so ergibt eine Recherche des Tagesspiegel: »Alle Bezirke wollen handeln. Aber fast keiner sieht sich derzeit in der Lage, Geldbußen wegen zu hoher Mieten schnell und verlässlich zu vollstrecken. Denn fast kein Mitarbeiter kann damit betraut werden, um die Sachlage rechtssicher zu ermitteln.«

Die Mietwucherregelungen sind aktuell zu kompliziert. Also müsste eine Reform der Gesetze her, damit die Regeln das Spiel tatsächlich wieder bestimmen. Doch das scheitert seit vielen Jahren an der Bundesregierung und nicht zuletzt am SPD-geführten Bauministerium. 

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Lara Schulschenk

Lara Schulschenk hat Soziologie in Frankfurt studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Sie war Reporterin für die Frankfurter Rundschau und Redakteurin für den SPIEGEL. Zuletzt erschien ihr Buch »No Sweet Home«.

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