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Ökonomen wollen einen dauerhaften Strompreisdeckel – so könnte er aussehen

Netzentgelte und Stromsteuer machen einen großen Teil der Stromkosten aus. Dagegen könnte ein Preisdeckel und Reformen beim Netzausbau helfen.

6 Minuten Lesedauer
Die Stromkosten sind noch immer hoch. Credit: IMAGO/Rene Traut

Die Bundesregierung hat versprochen, aber nicht geliefert: Bei der Stromsteuer wird es vorerst keine Entlastung für Privathaushalte geben. Zur Begründung hieß es, es gäbe keinen Spielraum im Haushalt. Beschlossen wurde hingegen eine Senkung bei den Netzentgelten durch Zuschüsse des Staates ab 2026. Doch dabei ist unsicher, wie viel bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen wird. Nach Berechnungen auf Basis von Table.Media könnte ein Zweipersonenhaushalt statt der von der Bundesregierung veranschlagten 100 Euro nur 42 Euro im Jahr sparen – je nachdem, in welcher Region sich der Haushalt befindet.

Die Gründe für die anhaltend hohen Energiepreise liegen jedoch tiefer im System – darauf machen die Arbeitskammern des Saarlandes und von Bremen aufmerksam. In ihrem Konzeptpapier bringen sie außerdem ein neues Instrument für die Entlastung von Verbrauchenden ins Spiel: einen angebotsseitigen Strompreisdeckel.

Die Netzentgelte steigen

Strompreise ergeben sich nicht nur aus dem Preis der Anbieter plus Steuern, sondern auch aus Netzentgelten. Dieser Anteil, den die Verbraucherinnen und Verbraucher über den Strompreis zahlen, geht an die Netzbetreiber. Sprich: Sie bezahlen mit dem Geld die Kosten für den Stromtransport, inklusive des Netzaus- und ‑umbaus, der Instandhaltung, Betriebs- und Kapitalkosten, sowie einer regulatorisch festgelegten Rendite. Haushalte zahlen tendenziell höhere Netzentgelte als Unternehmen im Gewerbe oder in der Industrie. Im Jahr 2024 lag der durchschnittliche Preis pro Kilowattstunde für private Haushalte bei 11,62 Cent – ein Anstieg von 24 Prozent und ungefähr ein Viertel des durchschnittlichen Strompreises von 41,20 Cent/kWh im vergangenen Jahr. Gewerbekunden mussten pro kWh 9,42 Cent zahlen, in der Industrie wurden 4,12 Cent/kWh fällig (die Netznutzungskosten stiegen um 27 beziehungsweise 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

Die Entgelte machen bei den Privathaushalten einen immer größeren Anteil am Strompreis aus, während der Anteil der Steuern kontinuierlich sinkt. Das zeigen auch Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew): In diesem Jahr bestand der Strompreis für Privathaushalte durchschnittlich zu 27,5 Prozent aus Entgelten und zu 32 Prozent aus Steuern – im Jahre 2015 noch zu durchschnittlich 21 Prozent aus Entgelten und zu 50 Prozent aus Steuern. Gemeinsam machen die Abgaben noch immer den größten, wenn auch mit der Zeit sinkenden Anteil aus.

Die Stromsteuer lässt sich relativ einfach senken, bei den Netzentgelten ist das Prozedere etwas komplizierter. Denn, so erklären die Arbeiterkammern Bremen und Saarland, der steigende Stromverbrauch und der Bedarf nach überregionalen Verteilnetzen benötigen »sehr hohe Investitionen in EE-Anlagen, Übertragungs- und Verteilnetze, Speicherkapazitäten und Residuallastkraftwerke, die im Falle von Dunkelflauten einspringen können«. Allein für den Netzausbau betragen die Investitionskosten einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zufolge bis zum Jahr 2045 insgesamt 650 Milliarden Euro, sofern die Klimaziele erreicht werden sollen. Diese Investitionskosten werden auf die Netzentgelte umgelegt. 

Das strukturelle Problem beim Netzausbau

Die Antwort auf die hohen Stromkosten erfordert wirtschaftspolitische Maßnahmen. Zwar könnte man die Strompreise runter subventionieren, aber das wäre einerseits möglicherweise beihilferechtlich problematisch, andererseits müssten die Subventionen aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden, wo es erhebliche Engpässe gibt. Allein die im Koalitionsvertrag versprochene Senkung der Netzentgelte um 5 Cent/kWh würde bei einem Gesamtverbrauch von ungefähr 500 TWh insgesamt 25 Milliarden Euro verschlingen. Beschlossen wurde jetzt eine Senkung von 2 bis 3 Cent/kWh, jedoch könnten die dafür geplanten Zuschüsse in Höhe von 6,5 Milliarden Euro im Schnitt zu nur 1,4 Cent/kWh Entlastung führen, wir Table.Media berichtete. Deshalb wäre es klüger, die Strompreise strukturell zu senken.

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Xenia Miller

Xenia Miller ist Redakteurin bei Surplus. Sie hat vorher bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gearbeitet und Politikwissenschaften, Soziologie und Politische Theorie studiert.

Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

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