Während sich EU und USA nach diversen »Ankündigungen« und »Gegenmaßnahmen« offiziell im Zollstreit befinden, inszeniert sich China weiterhin als Hüterin des liberalen Welthandels. Schon 2017, zu Beginn der ersten Trump-Präsidentschaft, präsentierte sich Staatschef Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Verteidiger der ökonomischen Globalisierung – ein Selbstbild, das Peking bis heute pflegt. Nun folgte ein Schritt, der dieses Narrativ untermauert: Im Juni kündigte die chinesische Regierung an, nahezu alle Importzölle auf Waren aus Afrika zu streichen. 53 von 54 Staaten des Kontinents profitieren davon – mit Ausnahme von Eswatini, das diplomatische Beziehungen zu Taiwan pflegt. Die Maßnahme ist Teil einer langfristigen Strategie: China reduziert seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Westen, vertieft den Handel mit dem Globalen Süden und stärkt seine Rolle als zentraler Akteur in globalen Lieferketten.
Die Rede ist von einer »gemeinsamen Zukunft für die neue Ära« – und davon, dass »der Aufstieg und das Wachstum des Globalen Südens der Trend der Zeit« seien –, so heißt es in der »China-Afrika-Erklärung«, mit der ein Treffen von chinesischen und afrikanischen Ministerinnen und Ministern im chinesischen Changsha im Juni endete. Die »Nullzoll«-Politik kommt mit weiteren Maßnahmen, um insbesondere die am »wenigsten entwickelten Staaten« zu unterstützen, etwa durch den technischen Kapazitätsaufbau in der Zollabfertigung. Das Ziel: die autarke Entwicklung des Globalen Südens – eingebettet in eine »inklusive, allen nutzende Globalisierung«. Denn, so die Erklärung von Changsha, Protektionismus und »wirtschaftliche Einschüchterung« würden die Lebensbedingungen in afrikanischen Ländern nicht verbessern. Die internationale Gemeinschaft soll stattdessen den wirtschaftlichen Herausforderungen afrikanischer Staaten Priorität einräumen. Außerdem rufe man »alle Länder – insbesondere die Vereinigten Staaten – dazu auf, zu einer Lösung von Handelskonflikten auf Grundlage von Gleichheit, Respekt und gegenseitigem Nutzen zurückzukehren.«
Das globale Zollsystem
Diese Rhetorik fügt sich nahtlos in jene Linie ein, die China auch bei der Welthandelsorganisation (WTO), den Vereinten Nationen und anderen internationalen Foren verfolgt. China gibt sich als Vorkämpferin offener Märkte, auch wenn der Zugang zum chinesischen Markt stark reguliert bleibt. Auch in anderer Hinsicht ist die Positionierung Chinas nicht frei von Widersprüchen, im Gegenteil: Der selbsterklärte Entwicklungsland-Status, den die Volksrepublik sowohl in der WTO als auch bei den Klimaverhandlungen beansprucht, birgt Ambivalenzen. China genießt Sonderregelungen, die auch anderen Entwicklungsländern zugutekommen. Gleichzeitig ist sich die chinesische Regierung der eigenen wirtschaftlichen Stärke bewusst – und durchaus bereit, mehr für Klimaanpassungsmaßnahmen zu zahlen oder eben Zölle auf afrikanische Güter zu streichen. Wichtig bleibt dabei stets, die Entscheidungshoheit über den Status und etwaige Zugeständnisse zu bewahren.