Noch vor wenigen Jahren galt nachhaltiges Investieren als Zukunft der Finanzwelt: 2020 flossen rund 40 Prozent des Kapitals, das Investoren in deutsche Fonds anlegten, in solche mit ESG-Siegel. Die Produktpaletten wuchsen während der Pandemiejahre rasant an, kaum ein Anbieter wollte den von der Klimabewegung und dem europäischen Green Deal angetriebenen Trend verpassen. Doch mittlerweile scheint der Boom verflogen: Heute tun sich viele Fonds schwer, neues Kapital anzuziehen, insbesondere in den USA. Laut einer Analyse der Ratingagentur Morningstar verzeichnen nachhaltige US-Fonds seit fast drei Jahren Netto-Abflüsse. Und das, obwohl der gesamte US-Fondsmarkt in diesem Zeitraum stetig wachsen konnte. Und auch in Europa, wo die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten deutlich höher ist, sank im ersten Quartal 2025 erstmalig das Kapital, das in solchen Fonds investiert ist.
Hinter dieser Entwicklung sieht Morningstar vor allem in den USA den »Anti-ESG-Backlash unter der Regierung von Donald Trump«, wie es in der Analyse heißt. So habe die US-Regierung »mehrere Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, klimarelevante und ESG-Initiativen abzuschaffen oder zu schwächen.« Darunter fallen beispielsweise Gesetze in mehreren US-Bundesstaaten, die es Pensionsfonds verbieten, ESG-Kriterien bei ihren Investitionen zu berücksichtigen. Im republikanisch geführten Bundesstaat Oklahoma sollten sogar Banken von staatlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, die Investitionen in Energieunternehmen ablehnen. Zwar stoppte ein Richter dieses Gesetz, doch der Eindruck bleibt: Insbesondere in den USA kann Nachhaltigkeit mittlerweile zum Risiko werden.
Der Kampf gegen »woke capitalism«
Auch dieser Druck war es, der den Vermögensverwalter Blackrock im Januar dazu veranlasste, die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM) zu verlassen – ein Zusammenschluss verschiedener Vermögensverwalter, die ihre Anlageportfolios bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen umstellen wollten. Direkt nach dem Blackrock-Austritt verkündete die Initiative, die Arbeit vorerst einzustellen. Der Kampf der Republikaner gegen den woken Kapitalismus, wie sie ihn nennen, funktioniert.
Doch auch hierzulande zeigt sich die Regierung ablehnend gegenüber den vereinbarten Klimazielen. Gleich zu ihrem Amtsantritt verkündete die CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, man habe den Klimaschutz in Deutschland bisher »fast überbetont«. Statt in erneuerbare Energien zu investieren, warnt Reiche vor einem vermeintlichen »Zwang zur Wärmepumpe« und setzt stattdessen lieber auf klimaschädliches Erdgas. Von der Debatte lassen sich offenbar auch Anlegerinnen und Anleger beeinflussen: In Deutschland investieren laut einer Verivox-Umfrage aus dem Juli lediglich 16 Prozent der Befragten in nachhaltige Finanzprodukte. 2022 waren es immerhin noch 24 Prozent.
KI-Euphorie übertönt Unsicherheit an der Börse
Das zeigt sich selbstverständlich auch an den Börsen: Die Kurse nachhaltiger Unternehmen straucheln, und damit auch die Kurse von ESG-Produkten. Der weltweit größte nachhaltige ETF, der MSCI World SRI der Blackrock-Marke iShares, konnte innerhalb der vergangenen zwölf Monate mit einem Plus von rund fünf Prozent zwar positiv performen – wobei das vor allem an den enthaltenen Tech-Schwergewichten wie etwa Nvidia oder Tesla liegt. Doch die meisten Unternehmen, die sich tatsächlich auf die Energiewende konzentrieren, schneiden deutlich schlechter ab. Der iShares ETF Global Clean Energy, der vor allem Unternehmen enthält, die die Energiewende voranbringen, erreichte Anfang 2025 den tiefsten Stand seit knapp fünf Jahren.