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EU-Vergleich: Niedriglöhne in Deutschland besonders stark besteuert

Eine Analyse zeigt: Wer in Deutschland wenig verdient, wird vergleichsweise sehr stark besteuert. Vermögen hingegen nicht.

3 Minuten Lesedauer
Bei niedrigen und mittleren Einkommen bleibt in Deutschland wenig Netto vom Brutto. Credit: IMAGO/Elmar Gubisch

Die niedrigste Lohnklasse Deutschlands zahlt im europäischen Vergleich die dritthöchsten Steuern und Abgaben. Das ergab eine aktuelle Auswertung von Datapulse Research und dem Steuersoftwareanbieter Buchhaltungsbutler auf Basis von OECD-Daten. Verglichen wurde, wie viel in drei Einkommensklassen nach Steuern und Sozialabgaben netto in den EU-Staaten übrig bleibt. Geprüft wurde der Durchschnittslohn, also in Deutschland 63.287 Euro jährlich, die Hälfte dessen, also 31.643 Euro, sowie das Doppelte des Durchschnittslohns, also 126.575 Euro. Wer in Deutschland 50 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient, hat davon im Schnitt nur 59 Prozent netto, also rund 1.555 Euro im Monat übrig. Nur in Ungarn und Slowenien bleibt prozentual weniger übrig, allerdings nur im Nachkommastellenbereich. In der Schweiz haben es Geringverdienende europaweit am besten: Dort behalten sie 82 Prozent des Bruttolohns.

Hohe Einkommen kaum stärker belastet – Kapital noch weniger

Erhält man in Deutschland einen Durchschnittslohn, behält man der Analyse zufolge noch 52 Prozent netto des Gehalts, also durchschnittlich 2.742 Euro im Monat. Doch bei Löhnen, die doppelt so hoch sind wie im Schnitt, bleiben noch immer 51 Prozent übrig, also 5.379 Euro. Bei den Besserverdienern liegt Deutschland der Auswertung zufolge europaweit im Mittelfeld – während Niedrig- und Durchschnittseinkommen mit am höchsten besteuert werden. 

Zudem besteuert Deutschland Arbeit allgemein verhältnismäßig stärker, als andere Einkommensarten. Das zeigt eine Auswertung von Surplus mit Daten der OECD und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Während reguläre Löhne im Schnitt mit 47,9 Prozent besteuert werden, werden Kapitalerträge aus etwa Aktiengewinnen nur zu 25 Prozent, Erbschaften im Schnitt nur zu 9,4 Prozent – oft jedoch auch gar nicht – und Vermögen gar nicht besteuert.

Marcel Fratzscher, Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) in Berlin schreibt, dass es weltweit kaum ein Land gäbe, »das Arbeit stärker und Vermögen geringer besteuert als Deutschland«. Seinen Berechnungen zufolge machen vermögensbezogene Steuereinnahmen mit 40 Milliarden Euro in Deutschland nur knapp 1 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Bei einem geschätzten privaten Gesamtvermögen von bis zu 10.000 Milliarden Euro wird Vermögen hierzulande demnach mit nur rund 0,4 Prozent seines Wertes jährlich besteuert. Andere Länder wie die USA, Frankreich, Kanada oder Großbritannien würden private Vermögen drei- bis viermal stärker besteuern, schreibt Fratzscher. Würde Deutschland diesem Beispiel folgen, stünden demnach jährlich knapp 80 bis 120 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bereit.


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