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Das Wirtschaftsmagazin

Vier Probleme der finanzpolitischen Zeitenwende

Das Finanzpaket der Bundesregierung bringt eine Zeitenwende. Doch es hat vier zentrale Probleme.

4 Minuten Lesedauer
Collage: Surplus

Die im März 2025 beschlossene Grundgesetzänderung für das Finanzpaket erweitert die Spielräume der deutschen Finanzpolitik ganz erheblich: Erstens gibt es eine Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, die oberhalb von 1 Prozent des BIP mit Krediten finanziert werden dürfen. Zweitens steht für zwölf Jahre ein großes kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen und Klimaschutz zur Verfügung. Drittens erhalten die Länder eine strukturelle Verschuldungsmöglichkeit von jährlich 0,35 Prozent des BIP. Das Finanzpaket bedeutet eine wirkliche Zeitenwende. Nach vielen Jahren der kontroversen finanzpolitischen Debatten ist die Schuldenbremse nun tatsächlich massiv reformiert und gelockert worden.

Für die Finanzpolitik ist dies ein Befreiungsschlag. Nach dem jahrelangen lähmenden Haushaltsstreit in der Ampel-Koalition, die sich auf Betreiben ihres FDP-Finanzministers Christian Linder mutwillig um jegliche Spielräume gebracht hatte und am Ende wegen der Uneinigkeit über wenige Milliarden Euro zerbrach, verfügt die neue Bundesregierung jetzt über massive Spielräume. Sie kann sie nutzen, um Versäumnisse in zentralen Bereichen wie Verteidigungsfähigkeit, Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung anzugehen und das Land zu modernisieren. Expansive fiskalpolitische Impulse sind zudem entscheidend für die Überwindung der durch den Corona- und den Energiepreisschock herbeigeführten Stagnationskrise.

Gewiss wird die konkrete Umsetzung herausfordernd: Kann ein umfangreiches Rüstungsprogramm angesichts der notorischen Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr gelingen? Können die Infrastrukturinvestitionen zügig umgesetzt werden oder scheitert alles an langsamen Planungs- und Genehmigungsverfahren oder begrenzten Kapazitäten in der Bauindustrie, sodass es starke Preisschübe gibt? Solche besorgten Fragen sind legitim. Sie basieren allerdings auf den Erfahrungen der Vergangenheit, als öffentliche Investitionen – auch aufgrund der Politik der »schwarzen Null« – häufig nach Kassenlage und unstetig erfolgten. Die Tatsache, dass nun die finanziellen Voraussetzungen vorhersehbar über einen längeren Zeitraum gegeben sind, dürfte sowohl die Planbarkeit als auch den Kapazitätsaufbau begünstigen. Bei aller Freude und Erleichterung über die Chancen der finanzpolitischen Zeitenwende sind dennoch mindestens vier durchaus ernsthafte Schönheitsfehler festzustellen.

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Achim Truger

Achim Truger ist Professor für Sozioökonomie mit Fokus auf Staatsfinanzen. Außerdem ist er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (»Wirtschaftsweise«).

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