Der österreichische Gelehrte Rudolf Goldscheid nannte den Staatshaushalt einst »das Skelett eines Staates, enthüllt von allen irreführenden Ideologien.« Entsprechend viel verrät der in der vergangenen Woche diskutierte Haushaltsentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) über den Kurs und die Prioritäten der schwarz-roten Regierung. Es wird deutlich: Mit Merz und Co. geht es mit den Rezepten von gestern zurück in die Zukunft. Noch dazu droht trotz Grundgesetzänderung und Rekordinvestitionen mittelfristig der Verlust der finanzpolitischen Handlungsfähigkeit. Was ist – frei nach Clint Eastwood – also »das Gute, das Schlechte und das Hässliche« dieses Haushalts?
Das Gute
Nach jahrelanger Blockadehaltung stürzten ausgerechnet Friedrich Merz und die CDU die Schuldenbremse. Die Begründung mit der veränderten Weltlage war fadenscheinig, SPD und Grüne haben sich von der CDU nacheinander für Krümel abfertigen lassen, aber sei’s drum: Die ersten Schritte zu mehr dringend benötigtem Staatskredit wurden damit gegangen. Insbesondere die Länder und Kommunen dürfen sich auf eine Finanzspritze für ihre klammen Kassen freuen. Einstürzende Brücken sollen ersetzt, Bahntrassen ausgebaut und das Schuldach soll nicht nur dicht gemacht, sondern vielleicht sogar mit einer Solaranlage ausgestattet werden. Hier kann man der Koalition nur gutes Gelingen wünschen.
Jetzt kommt es für Progressive darauf an, auf die im Koalitionsvertrag versprochene Kommission zur Überarbeitung der Schuldenbremse zu bestehen. Nach der Investition kommt nämlich der Betrieb: Das heißt, »investive Ausgaben« für neue Schulgebäude sind schön und gut, aber die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer sowie das Verwaltungspersonal sind »konsumtive Ausgaben«, die bislang nicht von der Schuldenbremse befreit sind – außer für das Militär. Anfängliche Signale sind ambivalent: Es ist unklar, ob diese Kommission die notwendige Legitimation und Verbindlichkeit erhalten wird, die sie braucht, um weitere Änderungen des Grundgesetzes in die Wege zu leiten. Das beste Ergebnis für die Demokratie wäre eine ersatzlose Streichung der Schuldenbremse. Es sollten schließlich die Wählerinnen und Wähler in regelmäßigen Abständen entscheiden, ob die Politik verantwortlich mit öffentlichen Mitteln umgeht, und nicht irgendwelche Technokraten, obskuren Regelwerke oder gar die Märkte für Staatsanleihen.
Die Schuldenbremse wird inzwischen als Ausdruck neoliberaler Skepsis gegenüber der Demokratie verstanden. Diese findet sich auch in verschiedenen Verträgen der Europäischen Union. Diese sehen eine Überwachung und gegebenenfalls Sanktionierung der Ausgabenpolitik der Mitgliedsstaaten vor, wie aktuell im Falle Österreichs. Die 2024 reformierten, strengen Fiskalregeln, die eine Verschuldung von höchstens 60 Prozent vorsehen, wurden in den Jahren davor vor allem von Deutschland gefordert und gefördert. Eine Überarbeitung ist allein deshalb notwendig, weil sie dringend benötigte Investitionen und damit das Wachstum in den Mitgliedsstaaten begrenzen. Es ist erfreulich, dass Finanzminister Klingbeil hier Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat – es muss aber alles auf den Tisch, nicht nur die Verteidigungsausgaben. Neben den Fiskalregeln sollte auch eine dauerhafte, gemeinsame Kreditaufnahme der EU ermöglicht werden; nicht zuletzt, um sich von der von Trump missbrauchten Dollar-Hegemonie zu befreien.