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Das Wirtschaftsmagazin

Die messianische Ideologie des Techno-Optimismus

Altman, Musk, Thiel und Co. glauben, dass die Technologie die Menschheit retten wird. Sie blenden damit bewusst Fragen von Macht und Verteilung aus.

6 Minuten Lesedauer
Mit seinem Unternehmen Neuralink will Elon Musk Technologie und Mensch miteinander verbinden. Credit: IMAGO/ZUMA Press Wire

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch »Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus« von dem Philosophen und Mathematiker Rainer Mühlhoff. Das Buch ist am 16. Juli 2025 bei Reclam erschienen.


Alle Tech-Ideologien, die nachfolgend vorgestellt werden, stehen zunächst im Zusammenhang mit der aggressiven Innovationskultur, die besonders im Silicon Valley vorzufinden ist. Diese Kultur ist eng mit einem unternehmerischen Risikokapitalismus verknüpft, der privatwirtschaftlich vorangetriebene technologische »Disruption« als Triebkraft gesellschaftlichen Fortschritts versteht. Zugleich wird sie von einer libertären Ideologie geprägt, die staatliche Regulierung als Hemmnis für Innovation ansieht und der wirtschaftlichen – wie auch der sozialen – Auslesefunktion des Marktes eine fast uneingeschränkte Steuerungsfunktion zuschreibt. Hinzu kommt die enge Verzahnung von akademischer Forschung mit privatwirtschaftlicher Technologieentwicklung, durch die wirtschaftliche Interessen und unternehmerische Denkweisen den wissenschaftlichen Diskurs erheblich prägen. In diesem Umfeld werden technophile Gesellschaftsutopien besonders gefördert und weitergetragen.

Die Auffassung, dass technologische Entwicklung eine autonome Kraft darstellt, die gesellschaftliche Strukturen, Wohlstand und Fortschritt maßgeblich und zwangsläufig bestimmen, wird häufig als technologischer Determinismus bezeichnet. Ein prominenter Vertreter dieser Sichtweise ist der OpenAI-CEO Sam Altman, der 2015 auf einer Tech-Konferenz ausführte, »I think that AI will probably, most likely, lead to the end of the world. But in the meantime, there will be great companies«. In einem Blog-Post von 2021 erklärte er, dass die KI-Revolution »unstoppable« sei und »phenomenal wealth« erzeugen werde. Der technologische Determinismus kombiniert häufig eine vermeintlich deskriptive Theorie vom unaufhaltsamen Fortschritt mit einem geradezu verzückten Optimismus und messianischen Heilsversprechungen.

Einige einflussreiche Akteure legen diese Grundstruktur des technologischen Determinismus nicht nur deskriptiv, sondern unmittelbar normativ aus und inszenieren sich selbst als Propheten dieser Botschaft, so etwa der Silicon-Valley-Investmenbanker Marc Andreessen mit seinem einflussreichen Techno-Optimist Manifesto aus dem Jahr 2023. Darin heißt es:

Our civilization was built on technology. Our civilization is built on technology. Technology is the glory of human ambition and achievement, the spearhead of progress, and the realization of our potential. For hundreds of years, we properly glorified this – until recently. I am here to bring the good news. We can advance to a far superior way of living, and of being.

Rainer Mühlhoff: Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus

KI und AGI (Artificial General Intelligence) – Wie Tech-Milliardäre Macht und Zukunft formen. Juli 2025, Reclam Verlag.

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Die Techno-Optimisten im Silicon Valley vertreten offensiv die Überzeugung, dass technologischer Fortschritt nicht nur unausweichlich, sondern von Natur aus wünschenswert und moralisch geboten sei – dass er jedoch aktuell durch liberale und nachhaltigkeitsorientierte Politik behindert werde. Sie lehnen regulatorische Eingriffe als innovationsfeindlich ab und propagieren eine Weltanschauung, in der technologische »Disruption« die Quelle für Wohlstand, gesellschaftlichen Fortschritt und eine paradiesische Zukunft ist.

Eine notorische Leerstelle dieser Denkweisen bildet die Auseinandersetzung mit Fragen der gesellschaftlichen Verteilung von Macht und Ressourcen oder der schon jetzt sichtbaren sozialen und ökologischen Schäden, die durch KI-Technologie verursacht werden. Auch wird die Tatsache ausgeblendet, dass von den techno-deterministischen und -optimistischen Narrativen vor allem die KI-Industrie selbst profitiert. Zugleich sind diese Narrative so konstruiert, dass sich die Protagonisten der Frage nach der gerechten Teilhabe der Gesamtgesellschaft am durch sie akkumulierten Wohlstand entziehen können. Ein zentraler Aspekt der Ideologieförmigkeit dieses Weltbildes besteht darin, dass diese Punkte systematisch verdunkelt werden.

Transhumanismus und seine Unterströmungen

In einem einflussreichen kritischen Artikel aus dem Jahr 2024 führen die Informatikerin, KI-Ethikerin und ehemalige Google-Mitarbeiterin Timnit Gebru sowie die US-amerikanische Philosophin Émile Torres das Akronym TESCREAL ein, um damit ein »Bündel« aus miteinander verwobenen und sich überlappenden Ideologien und Lehren zu bezeichnen, die in bestimmten technologischen und wissenschaftlichen Kreisen, insbesondere im Silicon Valley, verbreitet sind.

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Rainer Mühlhoff

Rainer Mühlhoff ist Professor am Philosophie-Institut der Universität Osnabrück und leitet dort den Bereich Ethik und kritische Theorien der künstlichen Intelligenz. 2025 veröffentlichte er »Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus« bei Reclam.

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