Mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern ist Hamburg unmittelbar vom Meeresspiegelanstieg betroffen – ein Drittel der Stadtfläche könnte überflutet werden, sollte der Klimawandel nicht radikal gebremst werden. Die Hamburgerinnen und Hamburger stimmten nun folgerichtig per Volksentscheid für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz. Mehr als 160 Organisationen, Unternehmen und Vereine hatten gemeinsam zum »Zukunftsentscheid« aufgerufen und mobilisierten eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Die Reaktionen auf dieses Wahlergebnis aus Politik und Wirtschaft sind jedoch ernüchternd. Gerade dann, wenn Klimaschutz gewinnt, zeigt sich in aller Klarheit, wie bewusst politische Entscheidungsträger auf die Verzögerungen von Maßnahmen pokern.
Kurz zur Formalie: Das Ergebnis des Volksentscheids ist rechtlich bindend. Peter Tschentscher, der erste Bürgermeister, kündigte noch am Wahlabend die entsprechenden Schritte im Hamburger Senat an. Das sogenannte »Klimaschutzverbesserungsgesetz«, das im Laufe einer Übergangsfrist in Kraft treten soll, sieht unter anderem eine jährliche Emissionsobergrenze vor, an die sich der Senat halten muss. Mit welchen Maßnahmen diese Minderungen genau erreicht werden, liegt in den Händen der Hamburger Regierung. Ein recht revolutionäres Detail dabei: Die Klima-Maßnahmen müssen laut Gesetz sozial gerecht sein, so soll verhindert werden, dass Klimaschutz nur für Reiche gemacht wird.
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Die Hamburger Politik und der Klimaschutz
Bei einigen Entscheidungsträgern setzte nach dem Volksentscheid Unbehagen und Schnappatmung ein. Da haben es die Hamburger und Hamburgerinnen wirklich gewagt, sich gegen den Status quo und für einen Aufbruch zu entscheiden?
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf warnte, der Volksentscheid stelle die Stadt »vor enorme Herausforderungen«. »Hamburg wird die Klimaneutralität bis 2040 nicht alleine umsetzen können.« Fröhliche Entwarnung an die Hamburger Genossen: Niemand erwartet, dass Hamburg eigenständig die deutsche Klimapolitik umkrempelt, von der auch die politischen Möglichkeiten Hamburgs abhängen. Auch in der SPD ist vermutlich bekannt, dass das sogar im Gesetz dezidiert benannt wird. Und ja, selbstverständlich ist eine Verschiebung des Ziels der Klimaneutralität herausfordernd. Doch mit Blick auf hohe Abgaswerte in der Hansestadt, fossile Abhängigkeiten in der Energieversorgung und die hohen Heizkosten in schlecht sanierten Mietwohnungen könnte man anerkennen: Auch der fossile Status quo ist eine Herausforderung. Die geht nicht weg, selbst wenn Politiker sie andauernd wegnuscheln oder ignorieren.
CDU-Fraktionsvorsitzender Dennis Thering drehte das Ganze drei Gänge weiter: »Drastisch steigende Mieten, Jobverluste, Fahr- und Heizungsverbote« wären die Folge des Entscheids. »Horrende Kosten« für den einzelnen und »harte Einschnitte« im Alltag seien die Folge. Bemerkenswert ist hierbei nicht nur das offensichtliche Desinteresse an belastbaren Studien, die etwa zeigen, dass gerade Mieter von schnellen Sanierungen profitieren, weil sie weniger heizen müssen. Bewiesen ist auch, dass Jobpotenziale gerade in den nachhaltigen Industrien erwartet werden. Und im abgestimmten Gesetz ist eine »Verhältnismäßigkeit« der Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen, was übersetzt heißt: Emissionsreduktionen durch absolute Fahrverbote kommen nicht infrage, weil das Einsparpotenzial nicht im Verhältnis zum Einschnitt im Alltag der Menschen steht. Doch die Hamburger CDU wettert lieber mit Schauermärchen gegen ambitionierten Klimaschutz.