Belém am Amazonas ist für die COP30 fast zynisch gewählt. Der Ort könnte kaum sinnbildlicher für den Stand der Klimakrise stehen. Der Amazonas wird seit Jahrzehnten durch Erderwärmung, zunehmende Dürren, Waldbrände, Landwirtschaft und Bergbau zerstört. Die einst »grüne Lunge der Erde« ist unverzichtbar für Temperaturen, Niederschläge und den globalen Kohlenstoffkreislauf. Netto ist der Amazonas aufgrund von Bränden und Brandrodung mittlerweile CO2-Emittent. Würde er vollständig kippen, hätte das tiefgreifende Folgen für das Leben auf dem Planeten.
Aber bereits im Vorlauf zur COP30 ging es weniger um diesen symbolträchtigen Ort, es ging ums Geschäft. Denn für den erwarteten Ansturm von 50.000 Delegierten wurden zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner in ärmeren Vierteln vertrieben, um die freigewordenen Unterkünfte profitabel zu vermieten. Das steht sinnbildlich für die COP selbst. Sie verwaltet, was sie selbst nicht verhindern kann – während sie marginalisierte Gruppen zu Bittstellerinnen degradiert. Wie es dazu kommt, zeigt ein Blick auf die Geschichte der COP.
Vom Prinzip der Hoffnung zur Politik des Marktes
Alles begann 1992 im brasilianischen Rio. Die Vorläuferkonferenz zur COP verabschiedete die Klimarahmenkonvention, die rechtliche Basis der COP, und das Prinzip der »gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung« als normative Leitplanke der internationalen Klimapolitik: alle Staaten tragen Verantwortung für Umweltkrisen, aber entsprechend ihrer Beiträge (etwa durch historische Emissionen) und Kapazitäten. Nach außen nahm die COP1 in Berlin 1995 das im Kern hoffnungsvolle Prinzip auf. Tatsächlich wurde der Klimawandel aber ein zunehmend geopolitisches Thema und die Industriestaaten machten ihren Führungsanspruch auf dem Feld geltend: Markt- und Technologieoffenheit sowie Agenda-Setting sollten abgesichert werden.
Die Bemühungen mündeten 1997 auf der COP3 im Kyoto-Protokoll, dem ersten Rahmenübereinkommen. Es trat 2005 in Kraft und verpflichtete Industriestaaten, ihre CO2-Emissionen zwischen 2008 und 2012 um circa fünf Prozent gegenüber 1990 zu senken. Das Kyoto-Protokoll war ein Kind des Neoliberalismus: Statt staatlicher Eingriffe sollte der Markt das Klima retten – über den Handel mit CO2-Zertifikaten. Am Ende blieb ein unübersichtlicher Zertifikate-Dschungel. Bis heute ist umstritten, ob Emissionshandel etwas bewirkt. Er lenkt eher von einer grundlegenden Transformation ab, weil wirkliche Reduktionen durch Offsetting ersetzt werden. Dennoch gilt der Emissionshandel bis heute etwa in der EU als zentrale Säule der Klimapolitik – die selbst diese Maßnahme gegenwärtig aufweicht.
Das verlorene Jahrzehnt
In den 1990er und 2000er Jahren verlagerte sich die industrielle Produktion in den Globalen Süden. Ab Anfang der 2000er Jahre kam es so zur zweiten Großen Beschleunigung: dem erneuten rasanten Anstieg des Material- und Energieverbrauchs, vor allem angetrieben durch die industrielle Entwicklung Chinas. Das führte auch zu einer grundlegenden Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der kapitalistischen Ordnung.
Dadurch veränderte sich auch die »unterschiedliche Verantwortung«, was sich auf der Konferenz niederschlug. Denn das Kyoto-Protokoll erfasste nur ein Fünftel des CO2-Ausstoßes. Die USA nahmen nicht teil, ebenso wenig jene Staaten, aus denen mittlerweile ein Großteil der CO2-Emissionen stammte, weil energieintensive Produktion in sie verlagert worden ist. Die COPs in den 2000ern bis Anfang der 2010er brachten daher weitestgehend ergebnislose Verhandlungen. In der globalen Klima-Diplomatie zog das ein verlorenes Jahrzehnt nach sich. Wissenschaftlich war längst klar, was passieren würde. Anfang der 2000er Jahre wurde das Anthropozän-Konzept populär, 2004 gab es einen Konsens zum menschengemachten Klimawandel und 2009 wurde das Konzept der planetaren Grenzen erstmals eingeführt. Entschlossene politische Entscheidungen folgten dem nicht.
Paris und die Illusion des grünen Kapitalismus
Nach Jahren der politischen Stagnation feierte die internationale Klimapolitik 2015 auf der COP21 in Paris einen »historischen Durchbruch«. Tatsächlich war das Pariser Abkommen jedoch weniger ein Sieg für das Klima, als vielmehr das Resultat einer besonderen geoökonomischen und -politischen Konstellation. Nach der Finanzkrise 2008/09 suchte das Kapital zunächst nach frischen Anlagemöglichkeiten und politische Eliten nach einer neuen Erzählung. Gefunden wurde das »grüne Wachstum«: Es versprach, die ökonomische Stagnation und die sich verschärfende Klimakrise zu überwinden – ohne dabei am Kapitalismus zu wackeln. In der Folge traten neue Kapitalfraktionen auf den Plan. Technologie-, Finanz- und Energiekonzerne investierten fleißig in erneuerbare Energieträger, E-Mobilität, Wasserstoff und CO2-Märkte. Währenddessen konnte das »alte« fossile Kapital den Umbau akzeptieren, weil die »Transition« nach wie vor von fossilen Energieträgern abhing. Öl- und Gaskonzerne – nun Energiekonzerne – konnten ihr Logo ändern, Berichte grün lackieren und gleichzeitig neue Geschäftsfelder entdecken.
