Eine Winterlandschaft, sanfte Harfenklänge – und eine Villa, die wirkt wie ein modernes Märchenschloss. Doch ferne Schüsse stören die Szenerie, das dumpfe Grollen von Explosionen ist zu hören. Die Stimme einer Nachrichtensprecherin ordnet sie ein: »Die politischen Unruhen in Mitteleuropa und Südasien sind erneut eskaliert.« Dann der entscheidende Satz: »Die Gewaltausbrüche sollen in direkter Verbindung mit neuen Funktionen einer jüngst veröffentlichten Beta-Version auf der Social-Media-Plattform ›Traam‹ stehen.«
So beginnt Jesse Armstrongs Mountainhead. Ein Film, der eine Satire auf die neuen Oligarchen der digitalen Ökonomie sein will und gleich in seiner ersten Szene eine weit verbreitete Sorge zur Realität werden lässt: Eine neue Deepfake-Software, deren fatale Nebenwirkungen ›Traam‹-Besitzer Vanis Parish (Cory Michael Smith) billigend in Kauf nimmt, lässt weltweit die Gewalt eskalieren. Die Technik erzeugt Bilder und imitiert Stimmen täuschend echt – und entfesselt binnen Stunden eine Lawine aus Falschmeldungen, orchestrierten Shitstorms, Hass und Gewalt, die wie ein Funke aus den Timelines in die Straßen überspringen. Parish, unschwer als Elon Musk erkennbar, kommentiert das Geschehen mit einem lakonischen »Fuuck« [sic!] auf seiner Plattform – als handle es sich um ein Computerspiel, nicht um das Zerbröckeln der Öffentlichkeit.
Die Bühne der Tech-Bros: Hybris im Hochgebirge
Erst auf den Hinweis einer Beraterin, dass der Vorstand unruhig werde und er nicht ewig auf die Rückendeckung des Weißen Hauses bauen könne, zeigt Parish eine gewisse Bereitschaft zu handeln. Er reist für ein Poker-Wochenende nach Utah, auf den titelgebenden »Mountainhead«, die eingangs gezeigte, abgeschottete Luxusvilla, um dort auf Jeff Abredazi (Ramy Youssef) zu treffen. Er hat eine hochfunktionale Künstliche Intelligenz entwickelt, die das von »Traam« entfesselte Chaos bändigen könnte. Die Katastrophen der Welt, so die hier veranschaulichte Ideologie des Solutionismus, können nur durch Technologie gelöst werden. Auch die von Big Data selbsterzeugten.
Jesse Armstrong konzentriert die Handlung auf diese Konstellation: Ein paar »Tech-Bros«, die zusammenkommen, um über das Schicksal der Welt zu räsonieren – und dabei vor allem mit sich und ihrem Erfolg beschäftigt sind.
Neben Parish und Abredazi, der deutlich an »OpenAI«-Gründer Sam Altman angelehnt ist, treten zwei weitere Gestalten hinzu: Gastgeber Souper (Jason Schwartzman) ist ein klassischer Emporkömmling, der verzweifelt nach Anerkennung im exklusiven Zirkel der Milliardäre strebt und an einer »lebensverändernden« Meditationsapp arbeitet. Randall Garrett (Steve Carell) wiederum ist unverkennbar als Variation von Peter Thiel entworfen, jenem Risikokapitalgeber, der etwa früh in Facebook investierte, sich seither als einflussreicher Strippenzieher im Silicon Valley etabliert hat und zugleich die US-amerikanische Rechte fördert.
Er hat ebenfalls ein persönliches Interesse an Abredazis Entwicklung: Mehrere Ärzte haben ihm eine unheilbare Krebserkrankung attestiert. Wie der echte Thiel begreift er seinen drohenden Tod jedoch nicht als Endpunkt, sondern als technisches Problem, das sich mit genügend Kapital beheben lassen müsse. Und wenn der Tod sich schon nicht endgültig besiegen lässt, so sein Kalkül, könne er ihn doch zumindest überlisten – indem er Parish noch ein wenig mehr Ressourcen für seine Forschung zum digitalen Upload von Bewusstsein verschafft.
Die Realität hat die Satire überholt
Auch die Anspielungen auf Elon Musks »Neuralink« sind überdeutlich. Genau darin zeigt sich das Grundproblem von Mountainhead: Die Realität hat die Satire längst überholt – Armstrongs Figuren erscheinen nicht als Überzeichnungen, sondern als bloße Spiegelbilder. Die Hybris der »Broligarchy« wirkt deshalb nicht grotesk, sondern fast schon dokumentarisch.
Wenn Armstrong seine Figuren etwa auf eine Bergwanderung schickt, wo sie sich unter Wolfsgeheul ihren »Net Worth« auf die nackte Brust schreiben, wirkt auch das nicht wie satirische Fantasie, sondern wie eine leicht verfremdete Variation realer pseudo-archaischer Rituale und Selbstinszenierungen (»Kettensäge«). Man denke nur an den Uber-Gründer Travis Kalanick, der seinen Körperkult und Machismus offensiv inszenierte, oder an die aggressiven »Alpha-Gesten« der Krypto- und Start-up-Szene, die längst Teil ihrer eigenen Mythologie geworden sind.