Die Ökonomin und Autorin Rosie Collington forscht zu Governance-Transformationen in Staaten, internationalen Finanzinstitutionen und zu Klimapolitik. Gemeinsam mit Mariana Mazzucato hat sie das Buch Die große Consulting-Show geschrieben. Im Interview mit Surplus erklärt sie, wieso ein grüner Kapitalismus nicht funktioniert und weshalb ein grüner Wirtschaftspopulismus nötig wäre.
Warum schaffen es Staaten weltweit nicht, den Klimakollaps aufzuhalten?
Das ist wohl die wichtigste Frage unserer Zeit. Jahrzehntelang – insbesondere bis Mitte der 2010er-Jahre – herrschte breiter Konsens, dass die Rolle des Staates darauf beschränkt sein sollte, die richtigen Marktbedingungen zu schaffen, damit sich private Akteure weniger umweltschädlich verhalten. Die Regierungen konzentrierten sich also darauf, die »Kosten von Umwelt- und Ökoschäden zu internalisieren«, etwa durch CO₂-Märkte oder Steuern. Dieser Ansatz hat seine Wurzeln in der neoklassischen Ökonomie; die Klimakrise wird dabei als negative Externalität betrachtet.
Um 2015 herum änderte sich alles: Das Pariser Klimaabkommen, die Rückkehr eines aktivistischeren Staates nach den Erfahrungen von 2008 und der Aufstieg des sogenannten »Asset-Manager-Kapitalismus« gaben den Regierungen neue Handlungsaufträge. Die Staaten verpflichteten sich zu national festgelegten Beiträgen (Nationally Determined Contributions, NDCs), um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und sie versprachen, öffentliche Mittel einzusetzen, um private Investitionen anzuregen. Ich bezeichne den daraus resultierenden klimapolitischen Ansatz als »grünen Staatskapitalismus«.
Warum scheitern Staaten aber nach wie vor?
Meine Forschung zeigt drei miteinander verknüpfte Mechanismen auf: Finanzierungsströme, staatliche Kapazitäten und öffentliche Unterstützung. Öffentliche und private Gelder konzentrieren sich auf die am meisten »bankable«, also die beste Rendite versprechenden Branchen – vor allem Energie und Verkehr – während Bereiche wie Forstwirtschaft, Landwirtschaft oder Biodiversität verhältnismäßig wenig Investitionen erhalten. Zweitens bauen die Regierungen Verwaltungskapazitäten auf und erwarten, dass private Finanzmittel folgen – beispielsweise im Bereich grüner Wasserstoff –, werden aber zu wenig in weniger renditeträchtigen Sektoren aktiv. Drittens führen die Verteilungseffekte dieses Ansatzes dazu, dass die meisten Menschen keine greifbaren Vorteile für sich selbst erkennen. Hinzu kommt eine energiepreisbedingte Lebenshaltungskostenkrise. Dadurch wird die politische Unterstützung für Klimapolitik untergraben.
Sie haben den Begriff »unbankable transition« geprägt für Branchen, die geringe und ungewisse Renditen bieten, beispielsweise im Bereich des Waldschutzes oder der nachhaltigen Landwirtschaft.
Das Kernproblem ist die Nachhaltigkeit der Renditen. Mit Anlagen für erneuerbare Energien wird zumindest ein Produkt – nämlich Strom – hergestellt, das verkauft werden kann. Biodiversitätsprojekte hingegen bringen keine solchen greifbaren Güter hervor: Es gibt keine Käufer und Verkäufer, ihr Wert hängt vollständig von öffentlichen oder privaten Regulierungsrahmen ab. Diese können sich aber ändern. Um derartige Projekte attraktiv zu machen, müssten die Regierungen entweder mehr öffentliche Gelder aufwenden, um das Risiko-Rendite-Verhältnis zu verbessern, oder andere Investitionen – beispielsweise in fossile Brennstoffe – durch Verbote oder hohe Steuern unattraktiv machen, oder aber starre, undemokratische Regeln schaffen, die Investoren eine zukünftige Rendite garantieren.
Keine dieser Optionen ist finanziell tragfähig, politisch einfach oder, im dritten Fall, wünschenswert. Und: Sie alle machen nur die Reichen reicher. Dies sind also keine wirklich wirksamen Wege hin zur Dekarbonisierung. Das Kapital fließt weiterhin in die gleichen rentablen Nischen, während anderswo große Lücken klaffen.
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