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Das Wirtschaftsmagazin

Trump 2.0 gefährdet die Vereinten Nationen

Wenn die USA aus den Vereinten Nationen austreten, droht der Organisation die Unterfinanzierung. Dagegen hilft nur mehr internationale Kooperation.

4 Minuten Lesedauer
Donald Trump stürzt die internationale Ordnung ins Chaos. Credit: IMAGO / ZUMA Press Wire

Das Abstimmungsverhalten der USA bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 4. März ragt unter all dem geopolitischen Heckmeck, das Donald Trump seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus veranstaltet hat, als besonders aufschlussreich hervor.

Zunächst lehnten die USA eine scheinbar harmlose Resolution ab, mit der ein »Internationaler Tag der friedlichen Koexistenz« eingeführt und die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bekräftigt wurden. Trotz des symbolischen Charakters der Resolution stimmten die USA dagegen; der US-Vertreter Edward Heartney erklärte, dass die USA »die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die Ziele für nachhaltige Entwicklung ablehnen und zurückweisen, und sie werden sie nicht länger routinemäßig bekräftigen«. »Einfach ausgedrückt«, fügte er hinzu, »haben globalistische Unterfangen wie die Agenda 2030 und die SDGs an der Wahlurne verloren.« Trotz des Widerstands der USA wurde die Resolution schließlich mit 162 Stimmen angenommen; zwei Länder enthielten sich, und nur drei Länder – die USA, Israel und Argentinien – stimmten dagegen.

Später am selben Tag legten die USA noch einen drauf und lehnten die Resolutionen der UN-Generalversammlung ab, in denen die Einführung eines »Internationalen Tages der Hoffnung« und eines »Internationalen Tages für das Wohlergehen der Justiz« gefordert wurde. Sie stimmten auch als Einzige gegen eine Resolution, die »das Recht eines jeden auf Bildung« bekräftigte und »die Bedeutung gleicher Chancen für junge Menschen, einschließlich junger Frauen« hervorhob. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie mit einer Säule der innenpolitischen Agenda der Trump-Administration kollidierte: dem Abbau von Programmen für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI).

Diese Schritte könnten ein Vorbote für den von Elon Musk und anderen Trump-Anhängern geforderten Rückzug der USA aus den UN sein. Unter Trump sind die USA bereits aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und, wie schon in seiner ersten Amtszeit, aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Seine Regierung hat zudem den Austritt der USA aus mehreren UN-Gremien, darunter dem Menschenrechtsrat (UNHRC) und dem Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), vollgezogen und prüft nun ihre Beteiligung an der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Auch aus den laufenden Verhandlungen zur UN-Steuerkonvention sind die USA ausgestiegen.

Diese Maßnahmen der USA – zusammen mit ihrer jüngsten Ablehnung einer Resolution zur Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine – zeigen, dass die Trump-Regierung nicht bloß mit bestimmten internationalen Institutionen unzufrieden ist. Vielmehr ist sie grundsätzlich gegen jeden multilateralen Rahmen, der auch nur den Anschein von Gleichheit zwischen Ländern erweckt.

Einige Analysten halten einen vollständigen Rückzug der USA aus den UN aufgrund des unverhältnismäßig großen Einflusses, den sie durch ihr Veto im Sicherheitsrat ausüben, für unwahrscheinlich. Doch angesichts von Trumps auf dem Gesetz des Dschungels basierendem geopolitischen Ansatz – bei der rohen Macht und nicht die Diplomatie das Handeln diktiert – könnte selbst dieser Vorteil womöglich nicht länger wesentlich erscheinen.

Sollten die USA aus den UN austreten, könnte das unmittelbare und schwerwiegende finanzielle Folgen haben. Und selbst wenn sie das nicht tun, hat die Trump-Regierung keinen Hehl aus ihrer Absicht gemacht, ihre UN-Beiträge zu kürzen. Als größter Geldgeber der UN haben die USA 2022 einen Rekordbeitrag von 18,1 Milliarden Dollar geleistet, was etwa 20 Prozent der Gesamtfinanzierung der Organisation ausmacht.

Bemerkenswert ist, dass mehr als 70 Prozent der US-Beiträge an nur vier UN-Einrichtungen gingen: 40 Prozent an das Welternährungsprogramm, 12 Prozent an das Flüchtlingskommissariat, 10 Prozent an UNICEF und weitere 10 Prozent an die Abteilung für Friedenseinsätze. Und da ein Großteil dieser Mittel über USAID ausgezahlt wurde – eine Behörde, die Trump geschlossen hat –, ist das Geld womöglich bereits weg.

Dies ist ein weiterer Schlag für das ohnehin schon unterfinanzierte UN-System. Angesichts des derzeitigen geopolitischen Klimas wäre es ein Wunder, wenn jetzt sofort andere Regierungen einspringen würden, um die Lücke zu schließen. Infolgedessen sind viele wichtige – und sogar lebensrettende – UN-Programme nun gefährdet.

Doch bedeutet der Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik nicht zwangsläufig den bevorstehenden Niedergang – oder gar völligen Zusammenbruch – des Multilateralismus und des UN-Systems. Zwar hat die Trump-Regierung ihre Vorliebe für Unilateralismus und Zwang deutlich gemacht, indem sie ihre Macht nutzt, um einzelne Länder zu schikanieren, statt mit internationalen Institutionen zusammenzuarbeiten. Da die führende Supermacht der Welt der globalen Zusammenarbeit den Rücken kehrt, könnte das System der multilateralen Governance, das die USA vor fast acht Jahrzehnten mitbegründet haben, ins Wanken geraten.

Mehr internationale Kooperation ist möglich

Paradoxerweise jedoch könnten Trumps Maßnahmen auch als Katalysator für eine stärkere internationale Zusammenarbeit dienen und andere Länder zu engerer Kooperation bewegen. Das hat einen einfachen Grund: Egal, wie vehement das Weiße Haus es leugnet, die dringendsten Herausforderungen der Menschheit sind globaler Natur. Sie werden nicht verschwinden, nur weil Trump sich weigert, sie anzuerkennen.

Denn Klimawandel, Umweltzerstörung, extreme Ungleichheit, neue Gesundheitsbedrohungen, der Aufstieg disruptiver neuer Technologien und die Erosion stabiler Beschäftigungsverhältnisse machen vor nationalen Grenzen nicht Halt, sondern schüren weltweit die soziale und politische Polarisierung und unterstreichen die Notwendigkeit gemeinsamer Lösungen.

Globale Solidarität ist daher nicht nur eine moralische, sondern eine existenzielle Notwendigkeit. Erfreulicherweise scheinen viele führende Politiker dies zu verstehen und bleiben dem Multilateralismus verpflichtet – trotz des Einflusses von »Verrückten in hoher Stellung«, wie John Maynard Keynes es einmal formulierte. Die internationalen Verhandlungen über Steuern, Klimaschutz und Entwicklungsfinanzierung gehen auch ohne Beteiligung der USA weiter. Tatsächlich könnte die Abwesenheit der USA – die selbst unter früheren Regierungen allzu oft als Störer auftraten – den Weg für ehrgeizigere und wirksamere globale Vereinbarungen ebnen.

Ironischerweise hat die multilaterale Ordnung, die Trump zerstören will, weitgehend den Interessen globaler Eliten und mächtiger Länder wie den USA gedient – oft auf Kosten der großen Mehrheit der Weltbevölkerung. In diesem Sinne könnte das derzeitige Klima der Unsicherheit und des Umbruchs eine einzigartige Chance darstellen, eine wirklich internationale Bewegung für einen progressiven Wandel aufzubauen.

Copyright: Project Syndicate

Jayati Ghosh

Jayati Ghosh ist Entwicklungsökonomin und Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts Amherst, USA.