Der US-Dollar ist die Königin der Währungen. Rund 80 Prozent aller grenzüberschreitenden Handelsgüter werden in Dollar abgerechnet und bezahlt. Das heißt, die internationale Realwirtschaft wird größtenteils in Dollar abgewickelt, auch wenn an der jeweiligen Transaktion kein amerikanisches Unternehmen beteiligt ist. In der Finanzwirtschaft ist die Dominanz des Dollars noch ausgeprägter: Fast 90 Prozent des Devisenhandels werden in der US-Währung durchgeführt. Die Finanzwirtschaft ist zudem um ein Vielfaches größer als die Realwirtschaft: Der Devisenhandel beläuft sich auf rund 7,5 Billionen Dollar täglich. Das entspricht etwa einem Viertel des globalen Handels pro Jahr. Keine Frage: Der US-Dollar regiert über das Imperium einer finanzialisierten Globalisierung.
Die Königin der Währungen auszugeben, sei ein Privileg, heißt es gemeinhin. Amerikaner, die ins Ausland reisen, freuen sich darüber, wie viel lokale Währung sie für ihre Dollar bekommen. US-Firmen, die weltweit Handel treiben, können dies tun, ohne sich um Wechselkursrisiken sorgen zu müssen. Die Vereinigten Staaten insgesamt können es sich leisten, viel mehr Güter zu konsumieren, als sie produzieren, weil andere Länder diese gerne im Tausch gegen Unternehmensanteile, US-Staatsanleihen und auch Dollar in Cash verkaufen. Die ungebrochene Nachfrage nach solchen Forderungen auf Teile der US-Wirtschaft ermöglicht es sowohl der amerikanischen Regierung als auch den Unternehmen, weltweit günstig und in großem Umfang Kredite aufzunehmen.
Genauso bedeutsam ist, dass die USA diese globale Dimension des Dollars nutzen, um geopolitische Macht auszuüben. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist ein immer größeres Netz von Sanktionen in US-Dollar gegen Einzelpersonen, Unternehmen oder sogar ganze Nationen entstanden. Außerdem haben die USA seit Anfang der 2000er Jahre begonnen, ihren Status als »Königin der Währungen« zu nutzen, um Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität über ihre Grenzen hinaus zu bekämpfen. Das heißt, der US-Dollar wird als Waffe eingesetzt, um Verbündete (zum Beispiel Deutschland) ebenso wie Kontrahenten (die üblichen Verdächtigen wie Iran, Russland oder Nordkorea) dazu zu zwingen, sich den Interessen der USA anzupassen. Andernfalls, so die Drohung, werden sie vom Dollarsystem abgeschnitten. Seit George W. Bushs Patriot Act von 2001 haben alle US-Regierungen von dieser Macht reichlich Gebrauch gemacht.
Doch Präsident Trump und seine Regierung sehen die Dinge etwas anders. Die Ausgabe der mächtigsten Währung der Welt ist ihrer Ansicht nach eher eine Belastung als ein Privileg; eine Last, die sie nicht länger allein tragen wollen. Ihr Hauptkritikpunkt an der internationalen Rolle des US-Dollars ist dessen Auswirkung auf die heimische Realwirtschaft. Die hohe weltweite Nachfrage nach dem Dollar stärkt dessen Wert und verteuert damit US-Produkte im Vergleich zu denen anderer Länder. Ein starker Dollar steht somit einem der zentralen Ziele Trumps im Weg: der Wiederbelebung der amerikanischen Industrie. Andere Schwächen der US-Hersteller – dass ihre Autos zum Beispiel zu groß für europäische Straßen sind oder viel zu viel Benzin verbrauchen – scheinen in dieser Weltsicht keine Rolle zu spielen. Gleiches gilt für den Fakt, dass die US-amerikanischen Finanz- und Digitaldienstleistungen einen Überschuss generieren.
Doch Banker und Tech-Elite bilden – egal, wo sie nun politisch stehen mögen – offensichtlich keine ausreichende Basis. Sie sind das eine Prozent. Das reicht nicht, um ein populistisches Regime aufzubauen. »In den letzten vier Jahrzehnten, also seit ich meine Karriere an der Wall Street angefangen habe, ist die Wall Street reicher geworden als je zuvor, und sie kann immer weiter wachsen und florieren«, sagte Trumps Finanzminister Scott Bessent, ein früherer Hedgefonds-Manager, nach dem Zollschock Anfang April. »Aber in den kommenden vier Jahren wird sich Trumps Agenda eben auf die Main Street konzentrieren. Jetzt ist die Main Street an der Reihe, Arbeitnehmer einzustellen. Jetzt ist die Main Street an der Reihe, Investitionen voranzutreiben. Jetzt ist die Main Street an der Reihe, den amerikanischen Traum zurückzubringen.«
Die Reindustrialisierung der USA würde allerdings einen enormen Aufwand bedeuten. Denn es braucht beispielsweise bessere Bildung und Training, um höhere Produktionsstandards zu erreichen, ebenso Investitionen in die Infrastruktur oder ein besseres Lieferkettenmanagement – und das alles bei gleichzeitiger Senkung der Produktionskosten. Darüber hinaus muss all dies in einem Umfeld passieren, in dem China jetzt sowohl bei (hohen) Produktstandards als auch bei (niedrigen) Preisen wettbewerbsfähig ist. Das Team um Trump will diese aktuelle Situation ändern – und laut Stephen Miran, Trumps wichtigstem Wirtschaftsberater, ist der beste Weg dahin eine Kombination aus Zöllen und Währungsabwertung.
Die Königin der Währungen schwächen
Für den Präsidenten selbst sind Zölle offenbar ein Mittel, um sich für die vermeintlich unfaire Behandlung der USA zu rächen: »Sie haben es uns angetan, jetzt tun wir es ihnen an. Ganz einfach«, sagte Trump in seiner Rede im Rosengarten vor dem Weißen Haus am 2. April. Damit wiederholte er Vorwürfe, die er bereits in den 1980er Jahren geäußert hatte. Damals beschwerte Trump sich über den Handelsüberschuss Japans gegenüber den USA.
Aus Sicht von Stephen Miran scheinen die Zölle hingegen eher ein Mittel zum Zweck zu sein als ein Racheakt. Bevor er Trump-Berater wurde, war Miran als leitender Stratege beim Hedgefonds Hudson Bay Capital tätig. In dieser Funktion verfasste er A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System (Ein Leitfaden zur Umstrukturierung des globalen Handelssystems). Dabei handelt es sich um einen Strategieentwurf für die zweite Amtszeit von Trump, der im November 2024 veröffentlicht wurde. Dieser Essay wurde praktisch zu einer Art Weißbuch, als Miran im März 2025 sein Amt unter Trump antrat. Laut seinem Guide dienen die Zölle zwei Zwecken: Sie sollen die Staatseinnahmen über den Außenhandel erhöhen und andere Länder dazu zwingen, die globale Währungsordnung zugunsten der USA neu zu verhandeln.
Die Trump-Regierung ist wie jede andere Regierung stets auf der Suche nach Geld, um ihre politischen Prioritäten zu finanzieren. Neben Plänen zur Reindustrialisierung der USA (die auf Trumps breitere MAGA-Basis abzielen) will das Trump-Team auch die im Tax Cuts and Jobs Act von 2017 beschlossenen individuellen Steuersenkungen, die Ende des Jahres auslaufen sollen, dauerhaft festschreiben (ein Geschenk für die Superreichen). Eine Regierung, die gleichzeitig im großen Stil investieren und Steuern senken will, könnte dafür natürlich neue Schulden aufnehmen. Doch die amerikanischen Schulden sind bereits sehr hoch, Parteispender der Republikaner und konservative Ökonomen sind in der Regel finanzpolitische Falken, die Staatsverschuldung ablehnen. Die Lösung für dieses Dilemma besteht laut Miran deswegen darin, das Ausland über Zölle zur Kasse zu bitten.
Miran zufolge funktioniert dieser Zauber wie folgt: Zölle wirken sich sowohl auf das importierende als auch auf das exportierende Land aus. Für importierende Länder werden die importierten Waren teurer, da durch die Zölle die von den Exporteuren verlangten Preise erhöht werden. Miran behauptet, dass dieser Effekt durch eine Abwertung der Währung der Importeure ausgeglichen wird: Wenn die Preise steigen, sinkt die Nachfrage nach den Waren der Importeure selbst – und damit auch die Nachfrage nach ihrer Währung. Was bleibt, so argumentiert er, ist, dass »die exportierende Nation sozusagen bezahlt beziehungsweise die Last der Steuer trägt, während das US-Finanzministerium die Einnahmen daraus einzieht«. Nach dieser Logik werden die US-Amerikaner reicher, weil die exportierenden Ausländer ärmer werden. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Wenn die Zölle tatsächlich so funktionieren sollen, wie Miran behauptet, würden amerikanische und chinesische Verbraucher ärmer werden, während die Einnahmen aus den Zöllen zur Refinanzierung von Steuersenkungen für die Superreichen verwendet würden.
Außerdem ist die Idee, dass sich die Auswirkungen der Zölle gegenseitig aufheben, eine starke Vereinfachung. Einige importierte Waren, wie bestimmte Medikamente oder Stahl, können nicht einfach durch heimische Produktion ersetzt werden: Sie werden in den USA schlichtweg nicht in ausreichender Menge hergestellt. In solchen Fällen wird die Nachfrage stabil bleiben – und die gestiegenen Kosten auf die US-Verbraucher abgewälzt. Wie so oft in der Hedgefonds-Literatur sind bei Miran markige Behauptungen wichtiger als ökonomische Genauigkeit und Sorgfalt. Über die Steigerung der Einnahmen durch Zölle hinaus beinhaltet sein Guide einen deutlich wichtigeren Punkt: Miran ist überzeugt, dass ein starker Dollar die Ursache für die »wirtschaftliche Misere« in den USA ist. Die Lösung erscheint daher einfach: Um die Probleme der USA zu lösen, muss der Wert des Dollars kontrolliert sinken.
Im Gegensatz zu Zöllen, die der Präsident einfach festlegen kann, steht Mirans Vorschlag, den US-Dollar abzuwerten, vor einem großen Hindernis: Die Trump-Regierung kann dies nicht alleine tun – zumindest nicht, ohne eine globale Finanzkrise zu riskieren. Die Welt bekam einen Vorgeschmack auf dieses Problem in den Tagen zwischen dem 5. April, als Trumps Zölle in Kraft traten, und dem 9. April, als sie in Reaktion auf Turbulenzen an den Märkten für Staatsanleihen wieder ausgesetzt wurden (mit Ausnahme der Zölle für China). Doch wie kann es sein, dass das mächtigste Land der Welt – der Anführer der Finanz-Globalisierung – den Wert seiner eigenen Währung nicht kontrollieren kann? Vor allem, wenn der starke Mann im Weißen Haus wenig für freie Märkte übrig hat? Warum kann Trump nicht einfach nach Belieben am Dollarwert herumdoktern?
Die unkontrollierbare Offshore-Währung
Die Antwort liegt in der Natur des geldpolitischen US-Imperiums. Dieses Imperium startete mit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944 und soll nun durch Mirans Idee eines »Mar-a-Lago Accords« wiederbelebt beziehungsweise umgebaut werden: Er wünscht sich ein potenziell multilaterales Abkommen zur Abwertung des Dollars und zur effektiven Tilgung (sprich: zumindest Teilerlass) der amerikanischen Staatsschulden.
Zum Hintergrund: Mit dem im Juli 1944 unterzeichneten Bretton-Woods-Abkommen wurde der US-Dollar als globale Reservewährung etabliert. Mit dem an Gold gekoppelten Dollar und allen anderen an den Dollar gekoppelten Währungen versuchte die US-Regierung unter Franklin D. Roosevelt (bis Frühjahr 1945) und danach unter Harry Truman, den internationalen Handel nach zwei Weltkriegen zu stabilisieren. Sie wollten auch ein internationales Finanzsystem unter Kontrolle bekommen, das mit dem Crash von 1929 und der Weltwirtschaftskrise die westlichen Volkswirtschaften in eine Krise gestürzt und den fragilen Frieden nach 1918 ausgehöhlt hatte. Die Idee war, die Vorteile des internationalen Handels mit dem Schutz vor den Gefahren einer unkontrollierten Finanzwirtschaft zu verbinden und so nationale Regulierungsmaßnahmen wie Kapitalkontrollen und Zinsobergrenzen zu ermöglichen.