Die Zölle der Trump-Regierung wurden vielerorts als Ausdruck eines aggressiven Wirtschaftsnationalismus interpretiert. Selbst die sonst so differenzierte Financial Times schreibt dieser Tage fast einstimmig von einem »Handelskrieg« Trumps. Dabei ging dieser Konflikt nicht von Washington aus, sondern wurde durch Deutschland, Japan und China mit ihrer aggressiven Lohnpolitik vorbereitet. Bei genauerer Betrachtung könnten die neuen US-Zölle eine überfällige Debatte über globale Ungleichgewichte und den Zustand der deutschen Wirtschaft anstoßen, deren Modell seit Jahrzehnten primär auf den Export ausgerichtet ist.
Seit Mitte der 1990er Jahre verfolgt Deutschland eine Strategie der Lohnzurückhaltung. Die Reallöhne wachsen langsamer als die Arbeitsproduktivität. Mit der Agenda 2010 wurde diese Strategie zementiert. Gewerkschaften wurden geschwächt, soziale Leistungen gekürzt, Lohnnebenkosten gesenkt. Die Produktionsleistung wächst, doch Teile der eigenen Güter sind für die Bevölkerung nicht bezahlbar. Genau dieser Anteil muss ins Ausland verkauft werden – meist in andere Euroländer, aber auch in die USA.
Die makroökonomische Preistheorie liefert dafür eine plausible Erklärung: Preise bestehen im Kern aus Lohnkosten plus einem fixen Aufschlag. Maschinen werden zwar in der Produktion eingesetzt – aber ihnen fließt kein Geld zu. Für die Wertschöpfung innerhalb eines Landes sind Löhne der einzige Kostenfaktor. Wer Löhne drückt, verschiebt das gesamte Preisgefüge. In dieser Form ist es ein Wirtschaftskrieg auf dem Rücken der Handelspartner, da die preisgünstigen deutschen Exporte zunehmend die Märkte in den Nachbarländern dominieren.
Eine Abwertung der eigenen Währung steht den übrigen Mitgliedstaaten der Eurozone als Reaktion auf das deutsche Lohndumping nicht zur Verfügung – die gemeinsame Währung schließt dieses Instrument aus. Italien, Spanien und Frankreich geraten unter Druck – und übernehmen zunehmend die Strategie der Lohnzurückhaltung. Doch gegen ein Land wie Deutschland, das bereits strukturell billig produziert, kann nicht gedumpt werden. Die Eurozone insgesamt weist inzwischen einen Leistungsbilanzüberschuss auf, auch mit den USA.
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