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Das Wirtschaftsmagazin

Warum der Emissionshandel nicht funktioniert

Warum der Emissionshandel versagt, die Wirtschaft gefährdet und die AfD stark macht.

2 Minuten Lesedauer
Illustration: Zane Zlemeša

Der CO₂-Emissionshandel garantiere Klimaschutz ganz ohne Subventionen und Verbote, behaupten Friedrich Merz, Christian Lindner und viele andere. Dahinter steckt der feuchte Traum des Neoliberalismus: Der Markt regelt die Klimaneutralität bis 2045, der Staat kann sich raushalten. Was sie verkennen: Der Emissionshandel bringt Chaos, verprellt Verbraucher und stärkt sogar die AfD.

Im VWL-Lehrbuch klingt die Idee hinter der Emissionshandel gut: Man errechnet, wie viel CO₂ bis 2045 noch emittiert werden darf; verpflichtet Firmen dazu, sich das Recht auf Emissionen mit Zertifikaten zu kaufen – und verkauft nur so viele Zertifikate, wie das Klimaziel zulässt. Man verknappt also die Menge und lässt den Markt entscheiden, wie teuer Emissionen für jene werden, die sie verursachen.

In der EU wurde ein solcher Emissionshandel 2005 eingeführt, galt zunächst aber nur für große Firmen aus der Energiewirtschaft und der Industrie, etwa für Kohlekraftwerke und Chemiefabriken. Im Jahr 2027 sollen die Sektoren Gebäude und Verkehr hinzukommen, für die es bisher einen eigenen deutschen Emissionshandel gibt – wobei hier die Politik und nicht der Markt den Preis bestimmen, ein entscheidender Unterschied. Die Erfahrung aus 20 Jahren EU-Emissionshandel widerlegt das Lehrbuch. 

Denn: die Vorstellung, Firmen könnten sich verlässlich auf höhere Preise einstellen und ihre Produktion danach ausrichten und umstellen, ist naiv. In der ersten Zeit kannte der Preis nur die stabile Seitenlage, krebste irgendwo unter der Zehn-Euro-Marke entlang. Der Grund: Es gab schlicht viel zu viele Zertifikate im Markt – auch weil vielen Industrien Zertifikate geschenkt wurden. Lenkungswirkung? Fehlanzeige.

Dann aber ging es steil bergauf. Zwischen Mitte 2017 und Ende 2020 verfünffachte sich der Preis von 5 Euro pro Tonne CO₂ auf rund 25 Euro. Und von da an vervierfachte sich der Preis nochmal in nur einem Jahr auf knapp 100 Euro. Seitdem schwankt der Preis zwischen 60 und 100 Euro. Verlässlichkeit? Fehlanzeige.

Wer vor dem steilen Anstieg in neue Anlagen investiert oder eine neue Gasheizung eingebaut hat, wurde mit explodierenden Betriebskosten überrascht – und bestraft. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Wie sollen Firmen und Verbraucher ihre Investitionen von diesem Preischart abhängig machen? Mit welchen Preisen sollen sie in Zukunft kalkulieren? Folgt wieder eine große Talsohle oder geht es erneut steil bergauf? Und wenn es bergauf geht: wann genau, wie hoch und wie steil wird der Anstieg? 

Der Emissionshandel bringt Chaos. Und Chaos ist Gift für Investitionsentscheidungen. Besonders für solche, die nicht schnell korrigiert werden können. Etwa Anlagen und Heizungen, die 20 Jahre und länger laufen müssen, um sich zu amortisieren. Statt garantiertem Klimaschutz bringt der Emissionshandel nur falsche Entscheidungen. Und er steigert den Frust derjenigen, die von den CO₂-Kosten schmerzlich getroffen werden und nicht ausweichen können: Firmen, Pendler, Mieter.

Diesen Frust wird die AfD politisch ausschlachten. Das hat sich schon bei der ersten Regierungserklärung von Kanzler Merz angekündigt und darf spätestens dann erwartet werden, wenn der CO₂-Preis fürs Heizen und Tanken ab 2027 vom EU-Emissionshandel bestimmt wird. Und weil die neue Regierung das schon ahnt, hat sie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, Preissprünge verhindern zu wollen. Das allein zeigt: Der Emissionshandel ist ein dysfunktionaler Markt.

Wenn man schon auf Preissignale setzen will, wäre eine echte CO₂-Steuer die bessere Alternative: Statt der Menge legt man damit einen Preis für CO₂-Emissionen fest, der in festen Abständen steigt. Dann gäbe es Planungssicherheit, weil jeder schon heute wüsste, wie teuer Emissionen in fünf, zehn oder zwanzig Jahren sein werden – und Investitionen damit kalkulieren könnte. So schafft man mehr Akzeptanz. So nimmt man der AfD den Wind aus den Segeln!

Maurice Höfgen

Maurice Höfgen ist Ökonom, Publizist und Herausgeber von Surplus.

#3 – Wir kümmern uns

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Doch es braucht gemeinsame Fürsorge.

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