Der Verband der »Die Familienunternehmer« hat im Oktober zu seinem Parlamentarischen Abend erstmalig einen AfD-Abgeordneten eingeladen. Der mediale Aufschrei um die Lobbyorganisation, die unter dem irreführenden Namen im politischen Berlin aggressiv die Interessen der Großkonzerne und Milliardäre vertritt, ist groß. Selbst die Deutsche Bank – die im 20. Jahrhundert die deutsche Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie mitfinanzierte – sieht eine ethische Grenze überschritten und verweist den Verband aus ihren Räumlichkeiten. Die Drogeriemarktkette Rossmann und der Thermomix-Hersteller Vorwerk kündigten sogar ihre Mitgliedschaft beim Lobbyverband. Doch trotz der heftigen Reaktion von Medien- und einigen Wirtschaftsvertretern ist es absehbar nur ein weiterer Schritt der Normalisierung der AfD, dem andere Verbände und Unternehmen perspektivisch folgen werden.
Die Brandmauer als Schweizer Käse
Bisher hatte die Milliardärslobby eine »Brandmauer« gegenüber der AfD aufrechterhalten, direkte Kontakte vermieden und die Partei nach außen hin klar abgegrenzt. Zwischen der AfD und Vertretern aus der Wirtschaft bestehen aber bereits länger informelle und meist vertraulich gehaltene Verbindungen, sowohl auf kommunaler wie auch auf Bundesebene. Nach der Entscheidung der »Familienunternehmer« rechnet die AfD-Vorsitzende Alice Weidel nun damit, »dass diese Entscheidung ein Auslöser für eine weitere Lockerung des Verhältnisses unterschiedlicher Unternehmen zur AfD sein wird.« Die Präsidentin des Verbandes der »Familienunternehmer«, Marie-Christine Ostermann, hingegen rechtfertigte den Schritt damit, die AfD »inhaltlich stellen« zu wollen.
Doch wie soll diese inhaltliche »Konfrontation« eigentlich aussehen? Wie jüngste Panorama-Recherchen offenlegten, ist das mittelständische Image des Verbands nicht mehr als ein Feigenblatt, um zu kaschieren, für wen und wofür er Lobbyarbeit betreibt: in erster Linie für Großkonzerne und Milliardäre. Unter dem Deckmantel des »Bürokratieabbaus« greifen deren Lobbyisten Arbeits- und Umweltstandards an. Im Sinne der »Generationengerechtigkeit« attackieren sie eine gerechtere – und von der Mehrheit der Bevölkerung gewollte – Ausgestaltung der Erbschaftsteuer. Und mit dem Verweis auf »Leistungsgerechtigkeit« arbeiten sie auf Steuersenkungen für Unternehmen und Überreiche hin, da diese ihrer Ansicht nach zu hohen Belastungen ausgesetzt werden. In wirtschaftspolitischen Fragen passt inhaltlich kaum ein Blatt zwischen die Milliardärslobby und die AfD: Ob in der Arbeitsmarkt-, Umwelt- oder Steuerpolitik – wenn die AfD »inhaltlich gestellt« wird, werden ihre Positionen bei den »Familienunternehmern« auf offene Arme und Ohren stoßen. Lediglich bei Punkten, die in der politischen Praxis der AfD keine Rolle spielen werden, wie etwa einem Austritt aus dem Euro oder einem Rentenniveau von 70 Prozent, werden Unterschiede bestehen. So kann man zumindest nach außen hin noch auf Differenzen verweisen.
Erinnerungen an eine dunkle Vergangenheit
Der Schritt der Milliardärslobby hin zu einer Partei, die als »gesichert rechtsextrem« eingestuft wurde, weckt unweigerlich Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. »Nie wieder ist jetzt«, war gestern, wenn es um die eigenen materiellen Interessen geht und darum, diese zur Not mit einer rechtsextremen Partei durchzuboxen.
