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Das Wirtschaftsmagazin

Leerstand nutzen: Für eine sozial-ökologische Bauwende von unten

Einfach mehr zu bauen, ist das Mittel von Schwarz-Rot. Das blendet Fragen von Verteilung und Ökologie aus.

8 Minuten Lesedauer
Obwohl in Frankfurt viele Flächen leer stehen, wird immer weiter neu gebaut. Credit: IMAGO/Jan Huebner

»Bauen, bauen, bauen«, gab Friedrich Merz bei seiner ersten Regierungserklärung als Strategie aus, um die Wohnungskrise zu lösen. Bezahlbares Wohnen ist eine der »wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit«, das hat mittlerweile selbst der CDU-Kanzler erkannt. Schwarz-Rot will diese Krise bewältigen – und ignoriert dabei Auswirkungen auf die soziale Ungleichheit und das Klima. Dabei gäbe es eine Lösung, die beidem gerecht wird.

Die Pläne von Schwarz-Rot reichen nicht aus

Die Bundesregierung plane Merz zufolge, den Mietwohnungsbau und die Eigentumsbildung durch »Steuerentlastungen für Bauherren« sowie eine »Entbürokratisierung des Bauens« anzukurbeln. Auch die neue Bauministerin, Verena Hubertz (SPD), bekräftigte die Worte des Bundeskanzlers im Interview mit den Tagesthemen wenige Tage später. In den ersten 100 Tagen wolle die Bundesregierung einen »Bau-Turbo« auf den Weg bringen. Städte und Gemeinden sollen eine »Brechstange« an die Hand bekommen, »damit alles ganz fix geht«. Hubertz will dafür eine neue Version des Baugesetzbuches, das wichtigste Gesetz des Bauplanungsrechts, vorlegen. Auch solle mehr seriell und modular gefertigt werden, um die Kosten für Neubau zu senken. Generell solle »Bürokratie abgebaut« und gesetzliche Regelungen höchstwahrscheinlich in Bezug auf Lärmschutz oder Umweltstandards gesenkt werden.

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Die Zeit zwischen der Genehmigung zum Bau und der Fertigstellung einer Wohnung lag 2024 durchschnittlich bei 26 Monaten. (Quelle: Destatis 2025)

Öffentliche Träger haben 2024 circa 20 Prozent weniger Wohnungen fertiggestellt. (Quelle: Destatis 2025)

Dabei soll auch der sogenannte »Gebäudetyp E« eine entscheidende Rolle spielen. »E« steht dabei für »einfach« oder experimentell. Bereits die alte Bundesregierung hatte das sogenannte Gebäudetyp-E-Gesetz beschlossen, allerdings konnte das Gesetzgebungsverfahren aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen nicht abgeschlossen werden. Konkrete Neuerungen des Gesetzes wären beispielsweise, dass Stahlbetondecken nicht mehr 18, sondern nur noch 14 Zentimeter dick sein müssten, weniger Steckdosen und Leitungen erforderlich wären oder auch das Bauen im Bestand – durch Aufstockung und Hinterhofbebauung – erleichtert werden könnte.

Doch bereits die Ampel-Regierung ist an einer »Bauwende«, die lediglich auf »Bauen, bauen, bauen« setzt, gescheitert. 400.000 Wohnungen sollten jährlich gebaut werden. Ein Ziel, das klar verfehlt wurde. 2024 sind die fertiggestellten Wohnungen von knapp 300.000 nochmal auf circa 250.000 eingebrochen. Auch die Mieten sind weiterhin gestiegen. Wie aus einer Erhebung des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hervorgeht, erhöhten sich die Mieten im vierten Quartal des Jahres 2024 um durchschnittlich 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Die Wohnungsfrage als »sozial-ökologische Zangenkrise«

Zwar ist die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten für vier Jahre verlängert worden, allerdings traut sich die Koalition weder an die Verteilungs- und Eigentumsfrage heran, noch scheinen die Klimaziele im Gebäudesektor zentral zu sein. Dabei muss die Wohnungskrise als »sozial-ökologische Zangenkrise«, wie dies der Soziologe Klaus Dörre nennt, verstanden werden. Klaus Dörre meint damit die gleichzeitige Zuspitzung sozialer Ungleichheiten und ökologischer Zerstörung, die sich wechselseitig verschärfen und gesellschaftliche Transformationsprozesse blockieren. Dies trifft – in doppelter Hinsicht – auf die Wohnraumkrise zu. Denn die Bauindustrie offenbart nicht nur ökologische, sondern auch soziale Widersprüche. Zum einen herrscht drastische Not an bezahlbarem Wohnraum in Großstädten, zum anderen sind die ökologischen Kosten für den Neubau von (Sozial-)Wohnungen und anderen Gebäuden hoch.

Gemeinsam mit dem Verkehrssektor ist der Gebäudesektor derjenige, in dem die selbsterklärten Klimaziele am weitesten verfehlt werden. Das musste bereits die alte Bundesregierung einsehen, als sie 2024 das Klimaschutzgesetz anpasste, damit die Klimaziele fortan sektorübergreifend statt einzeln erreicht werden müssen. Herstellung, Errichtung, Modernisierung und Nutzung sowie der Betrieb von Gebäuden sind dem Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie zufolge für fast 40 Prozent der deutschen CO₂ -Emissionen verantwortlich.

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Lukas Geisler

Lukas Geisler lebt und arbeitet in Frankfurt/Offenbach am Main und ist Sozialwissenschaftler. Unter anderem schreibt er zum Recht auf Stadt und über die Klimakrise.

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