Was, wenn der Schlüssel zu faireren Löhnen und einer stärkeren Arbeiterschaft nicht in der Spaltung, sondern in der Einigkeit der Arbeiterinnen und Arbeiter aller Hautfarben läge? Diese kühne Idee entstand 1930 aus der Bewegung des Schwarzen Radikalismus, dessen Vorreiterin Sadie Tanner Mossell Alexander, auch bekannt als Sadie T. M. Alexander, war. In einer ihrer Reden forderte sie afroamerikanische Menschen auf: »Schreibt Eure Namen, den Namen Eurer Rasse, in die amerikanische Industrie, in die Exportkolonnen ein, und niemand kann Euren Beitrag für Amerika leugnen.«
Als einzige Frau unter wenigen afroamerikanischen Ökonomen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bot Alexander eine wichtige Perspektive auf die Arbeitsbedingungen der Schwarzen Bevölkerung. Ihre wissenschaftliche Arbeit und ihr Aktivismus fokussierten sich auf politische Freiheiten und Gleichstellung beim Zugang zu Arbeitsplätzen und den materiellen Grundbedürfnissen des Lebens. Damit revolutionierte sie das radikale Denken dieser Zeit. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren ihre Ideen noch drängender geworden und prägten den Diskurs bis weit in die Zeit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hinein. 1946 wurde sie in Präsident Trumans Menschenrechtsausschuss berufen sowie mit einer wissenschaftlichen Studie zur Gewährleistung der Bürgerrechte in den USA beauftragt, und sie gab dem Präsidenten Empfehlungen zum Schutz dieser Rechte.

Von der Ökonomin zur Juristin
Im Jahr 1935 kritisierte Sadie T. M. Alexander, die erste Schwarze promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin in den Vereinigten Staaten, einen Gesetzentwurf in Pennsylvania, der vorgab, weibliche Arbeiterinnen zu schützen. Hinter seiner progressiven Fassade wäre das Gesetz tatsächlich weißen Frauen zugute gekommen, während die meisten afroamerikanischen Frauen, die überwiegend als Hausangestellte oder Landarbeiterinnen beschäftigt waren, jedoch davon ausgeschlossen geblieben wären. Alexander erkannte diese rassistische Ungleichbehandlung und sprach sich daher entschieden gegen die vermeintliche Schutzmaßnahme für Arbeiterinnen aus.
Ihre Haltung war durch ihre persönlichen Erfahrungen geprägt. Alexander wuchs in der sogenannten »Progressive Era« auf – einer Zeit, in der Schwarze Frauen von »Reformen« oft ausgeklammert waren oder diese sie aktiv ausschlossen. Sie erwarb 1921 ihren Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften an der University of Pennsylvania. Doch trotz dieser bahnbrechenden akademischen Leistung wollte sie keine Universität einstellen. Alexander war daher gezwungen, sich der Privatwirtschaft zuzuwenden, und arbeitete als Statistikerin für eine ausschließlich Schwarze Versicherungsgesellschaft in North Carolina. Als sie 1923 nach Philadelphia zurückkehrte, um den Anwalt Raymond Pace Alexander zu heiraten, stand sie erneut vor verschlossenen Türen: Die Stadt verbot Schwarzen Frauen, an öffentlichen Highschools zu unterrichten. Nach einem frustrierenden Jahr im Haushalt kehrte Alexander zum Studium an die Universität zurück und erwarb 1927 einen Abschluss in Rechtswissenschaften. Sie wurde eine der damals noch wenigen afroamerikanischen Anwältinnen des Landes.
Viele gingen davon aus, sie habe das Thema Wirtschaftswissenschaften damit für sich abgehakt. Doch Alexander hörte nie auf, sich mit Wirtschaft zu beschäftigen, sie verlagerte ihre Arbeit lediglich aus dem akademischen Bereich heraus. Jahrzehntelang, von den 1920er bis zu den 1970er Jahren, analysierte sie in Reden und Essays die ökonomische Lage der afroamerikanischen Bevölkerung und verknüpfte dabei ökonomische Gerechtigkeit mit Bürgerrechten. Ihre Erkenntnisse schlugen eine Brücke zwischen Arbeit, Recht und Ethnie. Sie stellte die wirtschaftliche Emanzipation der Schwarzen in den Mittelpunkt der demokratischen Gleichberechtigung. In ihren frühen Forschungen, die Teil ihrer Dissertation von 1921 mit dem Titel The Standard of Living Among One Hundred Negro Migrant Families in Philadelphia waren, untersuchte Alexander, wie sich Migranten aus dem Süden während der Great Migration an das Leben in der Stadt anpassten. Ihr Fazit: Die wahren Maßstäbe für Gleichheit sind faire Löhne und Zugang zu denselben Möglichkeiten, nicht die Wohltätigkeit anderer.
Alexanders Leben und Werk erinnern uns daran, dass ökonomische Belange schon immer auch ethische Belange waren und dass Inklusion nach wie vor sowohl eine Frage der Gerechtigkeit als auch der politischen Gestaltung ist.

Weiße Frauen wurden geschützt, Schwarze nur selten
Im späten 19. Jahrhundert vertraten weiße Frauen, die sich für progressive soziale Reformen engagierten – genannt seien Edith und Grace Abbott, Jane Addams, Sophonisba Breckinridge und viele andere –, ein Hausfrauen-Ideal. Sie wollten den häuslichen Einfluss auf den öffentlichen Bereich ausweiten und argumentierten, dass die Rolle der Frau als tugendhafte Hüterin des Familienlebens über den Haushalt hinausgehen und sich auch auf die Gestaltung der Politik in Bereichen wie Kinderarbeit, Alkoholismus, Hygiene, Armut und öffentlicher Bildung erstrecken müsse. Die Bemühungen, »Arbeit von zu Hause« für Frauen und Kinder der Arbeiterklasse in den Mietskasernen zu begrenzen, verwiesen häufig auf diesen häuslichen Rahmen: Schutzmaßnahmen konzentrierten sich ausschließlich auf die Rolle der Frau als Mutter – und verstärkten damit ihre wirtschaftliche Abhängigkeit. Die staatliche Regulierung der Frauenarbeit beruhte vor allem auf der Sorge, dass körperliche Arbeit dem Körper der Frau schaden könnte. Im Jahr 1908 bestätigte der Oberste Gerichtshof die bestehenden Regelungen in der Rechtssache Muller gegen Oregon. Demnach seien »gesunde Mütter für kräftige Nachkommen unerlässlich«, womit das körperliche Wohlbefinden von Frauen eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse sei.
Allerdings galten diese Schutzmaßnahmen selten für afroamerikanische Frauen. Schwarze Mütter waren in weitaus höherem Maße erwerbstätig als ihre weißen Geschlechtsgenossinnen. Die hohe Arbeitsbelastung machte es Schwarzen Frauen oft nahezu unmöglich, ihre Familien angemessen zu versorgen: Ein Drittel der Schwarzen Kinder verstarb vor Erreichen des zehnten Lebensjahres; ebenso erlebten viele Mütter nicht mehr, dass das jüngste Kind das Elternhaus verließ. Berufliche Ausgrenzung aufgrund von Hautfarbe und Geschlecht führte dazu, dass etwa 90 Prozent der Schwarzen Frauen als Hausangestellte oder in der Landwirtschaft tätig waren – Sektoren mit geringer gewerkschaftlicher Präsenz. Darüber hinaus hatten Hausangestellte oft mit willkürlichen Regeln, langen Arbeitszeiten und niedrigen sowie unregelmäßig gezahlten Löhnen zu kämpfen.
Kampf gegen rassistische Strukturen durch Umverteilung und Vollbeschäftigung
Alexanders Kampf gegen rassistische Unterdrückung entsprang der Black Radical Tradition und entwickelte sich mit den Veränderungen in der politischen Ökonomie von den 1920er bis zu den 1960er Jahren weiter. Klasse und die Notwendigkeit »rassenübergreifender« Allianzen in der Arbeiterklasse standen im Mittelpunkt ihrer Analyse der Unterdrückung der Schwarzen. Sie untersuchte die Arbeitsbedingungen sowohl afroamerikanischer Männer als auch Frauen und gab politische Empfehlungen, die speziell Schwarze Frauen unterstützen sollten. In ihren Reden forderte sie politische Mobilisierung an der Basis und die Organisierung der Communities, um ungerechte Gesetze anzufechten und Amtsträger zur Rechenschaft zu ziehen. Mit Umverteilungs- und Vollbeschäftigungspolitik wollte Alexander die Armut, Arbeitslosigkeit und ökonomische Marginalisierung der Schwarzen bekämpfen. Sie plädierte für eine grundlegende Umstrukturierung des Wirtschaftssystems und betonte, dass Regierung, Industrie, Arbeiterschaft, Schulen und Gemeinden zusammenarbeiten müssen, um Arbeitsplätze zu garantieren und sicherzustellen, dass alle Amerikanerinnen und Amerikaner somit die gleichen Chancen erhalten, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
