Der Deutsche Bundestag hat ein Investitionssondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Zusätzlich wurde die Möglichkeit geschaffen, quasi unbegrenzt Schulden für Verteidigungsausgaben aufzunehmen. Es sind Investitionsvolumen, wie sie noch keine andere Bundesregierung zur Verfügung hatte. Von diesem Geld werden viele Unternehmen, die vom Bund beauftragt werden, enorm profitieren. Diese 500 Milliarden sollen der Hebel sein, um in Deutschland das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und den jahrelangen Investitionsstau bei der Infrastruktur zu beseitigen.
Doch wer mehrere hundert Milliarden Euro investiert, muss auch dafür sorgen, dass das zu fairen Bedingungen geschieht. Das bedeutet: Der Staat und seine bundeseigenen Unternehmen, wie die Bahn oder die Autobahn GmbH, sollten zukünftig nur noch Aufträge an Unternehmen vergeben, die tarifliche Standards einhalten. Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken. Vonseiten der EU gibt es die klare Aufforderung, einen Pfad zu entwickeln, um ein Tarifbindungsniveau von 80 Prozent zu erreichen – derzeit arbeiten in Deutschland jedoch nur 49 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tarifgebunden. Wer tarifgebundene Arbeit hat, erhält höhere Löhne, mehr Urlaubstage und ist seltener krank.
Durch die zu geringe Tarifbindung entgehen dem Staat jährlich 24 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Den Sozialversicherungen fehlen deswegen sogar 41 Milliarden Euro und die Beschäftigten müssen auf insgesamt 58 Milliarden Euro Einkommen verzichten. Geld, das dringend für die Stärkung der Binnennachfrage gebraucht wird. Insgesamt summieren sich die negativen Effekte gesamtgesellschaftlich auf 123 Milliarden Euro. Bislang kommt bei öffentlichen Ausschreibungen meist das billigste Angebot zum Zuge. Doch wenn der Staat billig kauft, zahlt er häufig doppelt – etwa, weil er am Ende Dumpinglöhne mit Sozialleistungen aufstocken muss und oftmals die erbrachte Leistung nicht den geforderten Qualitätsstandards entspricht.
Wenn nur der niedrigste Preis zählt, wirkt dies wie ein Brandbeschleuniger zugunsten von Dumping-Wettbewerb. Unternehmen, für die ein Tarifvertrag mit guten Arbeitsbedingungen und Löhnen gilt, werden so benachteiligt und überlegen sich zweimal, ob sie sich überhaupt noch auf einen staatlichen Auftrag bewerben sollen. Mit dem Bundestariftreuegesetz (BTTG) sollen unfaire Wettbewerbspraktiken bei der öffentlichen Auftragsvergabe verhindert werden. Davon würden der Staat, Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen profitieren.
Am 10. Oktober wird das BTTG erstmals im Bundestag beraten. Hinter den Kulissen wird an diesem Gesetzesvorhaben bereits gezerrt. Es sind gerade die Arbeitgeberverbände, die an vielen Stellen versuchen, das Gesetz zu einem zahnlosen Tiger zu machen. Damit handeln sie gegen die Interessen ihrer tarifgebundenen Mitglieder. In erster Linie stellen sie das BTTG als Bürokratiemonster dar. Dabei müssen Unternehmen, die sich um einen Auftrag bewerben, lediglich erklären, dass sie die geforderten Bedingungen einhalten. Unternehmen, die bereits tarifgebunden sind, können sich gänzlich von der Nachweiserbringung befreien. Hier ergibt sich also ein klarer Vorteil für tarifgebundene Unternehmen, der mit minimalem Aufwand verbunden ist.
Staatsgelder sollen für faire Arbeitsbedingungen sorgen
Denn es braucht durchschlagkräftige Gesetze. Das Ziel des Gesetzes ist es, mittels der Tariftreue die Tarifbindung in Deutschland zu stärken. Staatsgelder sollen nicht für Dumpinglöhne ausgegeben werden – es muss ein fairer Wettbewerb geschaffen werden, von dem auch tarifgebundene Unternehmen profitieren können.
Damit diese Ziele erreicht werden, muss der Gesetzentwurf nachgeschärft werden. Bislang soll die Tariftreue ab einer Auftragshöhe von 50.000 Euro gelten. Damit wären bereits ein Drittel der Bundesaufträge nicht erfasst. Der Schwellenwert muss deshalb auf 25.000 Euro sinken, um möglichst viele Aufträge zu erfassen. Hinzu kommt: Aufträge zur Deckung jeglicher Bedarfe der Bundeswehr sollen bis zum Jahre 2032 sogar komplett von der Tariftreue ausgenommen werden. Diese Ausnahme betrifft damit ausgerechnet den Bereich, wo in den kommenden Jahren der größte Aufwuchs geplant ist. Auch für die Bereiche zivile Verteidigung, innere Sicherheit und Katastrophenschutz gelten weitreichende Ausnahmen. Dabei ist schon jetzt in tatsächlichen Krisenfällen eine vereinfachte Vergabe möglich. Von entscheidender Bedeutung wird aber sein, ob die Tariftreueverpflichtung in der Praxis tatsächlich kontrolliert und durchgesetzt werden kann. Daran bestehen aktuell erhebliche Zweifel.
Die Bundesregierung hat es in der Hand: Wenn das Tariftreuegesetz als Zukunftsprojekt dieser Koalition gelten soll, dann muss im parlamentarischen Verfahren nachgebessert werden.