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Das Wirtschaftsmagazin

Die Unternehmensteuern noch früher zu senken, wäre fatal

Die Wirtschaftslobby will die für 2028 geplante Unternehmensteuersenkung vorziehen. Das könnte die Wirtschaft am Ende sogar schwächen. 

3 Minuten Lesedauer

Collage: Surplus, Material: IMAGO/Jens Schicke/Chris Emil Janßen

Kurz vor Weihnachten gab die Wirtschaftslobby noch einmal so richtig Gas. In der Bild-Zeitung schlug sie Alarm: Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, sah den Wirtschaftsstandort im freien Fall. Sein Kollege Peter Adrian, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), verlangte wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise »ohne Wenn und Aber alle Signale konsequent auf wirtschaftliches Wachstum [zu] stellen« und forderte neben den üblichen Reformwünschen auch ein Vorziehen der erst ab 2028 vorgesehenen Unternehmensteuersenkungen. Nach bisheriger Gesetzeslage soll der Körperschaftsteuersatz, den Unternehmen auf ihre Gewinne zahlen, ab dem Jahr 2028 von gegenwärtig 15 Prozent schrittweise um einen Prozentpunkt pro Jahr bis auf 10 Prozent im Jahr 2032 abgesenkt werden.

Ermutigt konnte sich die Wirtschaftslobby durch ähnlich lautende Forderungen aus der Politik fühlen. So hatte der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder zuvor erklärt, die Wirtschaft sei die »absolute Priorität« der Regierung und eine frühere Körperschaftsteuersenkung sei sinnvoll. Daher solle die Senkung um anderthalb Jahre auf den 1. Juli 2026 vorgezogen werden. Aus Baden-Württemberg pflichtete ihm ausgerechnet der dortige grüne Finanzminister Danyal Bayaz bei und meinte, alles schreie nach einem echten Befreiungsschlag. Dabei setzte er noch einen drauf und brachte nicht nur einen früheren Zeitpunkt, sondern auch eine Senkung um gleich zwei Prozentpunkte 2026 ins Spiel, damit die Senkung um insgesamt fünf Punkte nicht erst 2032 erreicht werde, sondern sogar noch innerhalb der Legislaturperiode bis Anfang 2029.

Der Absolutheitsanspruch von Wirtschaftsinteressen ist zurückzuweisen

Die Forderungen sind sowohl in der Rhetorik als auch im Inhalt äußerst bedenklich. Erstens verstört an der Rhetorik der Absolutheitsanspruch, mit dem Wirtschaftsinteressen versehen werden. Man kann verstehen, dass angesichts der anhaltenden Wirtschaftsschwäche bei manchen die Nerven blank liegen und sie vielleicht auch deshalb besonders drastisch formulieren. Dennoch kann es in einer Demokratie und einem Rechtsstaat selbstverständlich keine »absolute Priorität« und quasi bedingungslose Politik »ohne Wenn und Aber« geben. Politik – auch Wirtschaftspolitik im engeren Sinne – besteht immer in einem Abwägen zwischen verschiedenen Zielen und damit in einem Interessenausgleich. Selbst wenn eine Maßnahme wirklich zu hohem Wachstum führte, müssten mögliche Nebenwirkungen auf andere Ziele berücksichtigt werden. Demokratische Politik kann und soll etwa eine Verschlechterung der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung oder problematische Verteilungswirkungen nicht ignorieren.

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Achim Truger

Achim Truger ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Duisburg-Essen, »Wirtschaftsweiser« und schreibt die Kolumne »Eine Frage des Geldes« bei Surplus.

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