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Das Wirtschaftsmagazin

Ende des SchwuZ: Queere Orte sollten kein Geschäftsmodell sein

Das Ende des queeren Clubs SchwuZ ist Ausdruck der Verteuerung der Großstädte. Doch der Markt wird queeres Leben nicht schützen.

5 Minuten Lesedauer

Die letzten auf der Tanzfläche. Credit: IMAGO / NurPhoto

Am 1. November hieß es in der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln ein letztes Mal: »Cheers Queers«. Unter der Discokugel des SchwuZ, Deutschlands ältestem explizit queeren Club, verabschiedete sich die Community von einem Ort, der weit mehr war als eine Tanzfläche. Nach 48 Jahren, vier Umzügen und unzähligen CSDs und Dragshows, schließt der Club. Die Insolvenzverhandlungen sind gescheitert; weder eine verspätete Crowdfunding-Kampagne noch Gespräche mit privaten Investoren konnten die Lücke schließen. Das SchwuZ war politischer Schutzraum, Archiv queerer Geschichte und Knotenpunkt von Kultur. Es war Teil einer Infrastruktur, dank der Teile der Community die HIV/Aids-Epidemie überstehen konnte, weil sie unter staatlicher Ignoranz eigene Sorge-, Solidaritäts- und Überlebensnetzwerke aufbauen musste. Jetzt ist es untergegangen, weil der Markt strukturell nicht in der Lage ist, sichere Räume für marginalisierte Gruppen dauerhaft zu tragen. Was es braucht, sind gemeinwohlorientierte Trägerschaften und öffentliche Rahmen, die solche Orte jenseits der Profitlogik sichern.

Im Mai 2025 wird die Krise des SchwuZ öffentlich: Über 30 Beschäftigte verlieren völlig überraschend ihren Job, die interne Kündigungswelle legt das Ausmaß der finanziellen Schieflage offen. Die Art und Weise, wie diese Entlassungen ablaufen, bringt der Geschäftsführung heftige Kritik aus der Community ein – viele erleben das Management nicht als Kollektiv, sondern als klassisches Unternehmen.

Im August meldet der Club vorsorglich Insolvenz an. Auf Social Media heißt es: »Es ist wirklich ernst«. Es folgen verzweifelte Versuche, das Geschäftsmodell zu retten: Kosten runter, Programm umbauen, »euer Feiern ist politisch«-Appelle, späte Crowdfunding-Kampagnen – und parallel Gespräche mit Investoren, die den Club übernehmen sollen. Fünf Monate später ist klar: Niemand steigt ein. Am 23. Oktober verkündet das SchwuZ sein endgültiges Aus – kein Deal, keine Fortführung, keine »Last-Minute-Rettung«. Das SchwuZ stirbt im vollen Bewusstsein, dass sein Konzept politisch und kulturell gebraucht wird – aber betriebswirtschaftlich so nicht mehr darstellbar ist.

Damit geht der 1977 als »SchwulenZentrum« in Schöneberg gegründete Ort für Beratung, Kultur und Treffpunkt der Westberliner Schwulenbewegung für die queere Szene verloren. Der Club, an dem der Berliner CSD mitgegründet wurde, überstand jahrzehntelang queerfeindliche Anfeindungen und Polizeirazzien – und blieb doch immer Kompass der Szene. Mit dem Ende des SchwuZ verliert Berlin ein Stück queere Daseinsvorsorge: einen Ort, an dem man nicht erklären muss, wer man ist. Und genau diese Orte werden in einer doppelten Krise – der Lebenshaltungskosten und der Faschisierung – zunehmend überlebenswichtig.

Wenn die Preise erhöht werden, gehen Clubs unter 

Die Krise des SchwuZ fällt in eine Zeit, in der die gesamte Berliner Clubszene unter Druck steht: 73 Prozent der Clubs berichteten 2023 von Umsatzrückgängen, die Besuchszahlen liegen im Schnitt 20 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Knapp 90 Prozent der Clubs kämpfen mit steigenden Betriebskosten. Gleichzeitig sind Corona-Hilfen ausgelaufen, Energiepreisbremsen Geschichte und die Mehrwertsteuererhöhung frisst sich durch die Gastrobilanzen. 

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Maxine Fowé

Maxine Fowé ist Politökonomin und Redakteurin bei Surplus. Sie hat Philosophie, Politik & Ökonomie in Maastricht, London und Berlin studiert.

Justus Henze

Justus Henze ist politischer Ökonom und Referent bei communia. Er arbeitet zu Vergesellschaftungsansätzen im Energiesektor und demokratischer Wirtschaftsplanung.

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