Über Geld spricht man nicht – dieser Glaubenssatz sitzt tief, vor allem in deutschen Führungsetagen. In vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen gilt: Wer am besten verhandelt, verdient am meisten – eine klare Aufschlüsselung darüber, welche Tätigkeit mit welcher Erfahrung wie bezahlt wird, fehlt. Diese Intransparenz kann zum Machtinstrument werden. Denn wer nicht weiß, was andere verdienen, kann keine Lohnungleichheit erkennen, geschweige denn anfechten. So bleibt nichts anderes übrig, als zu recherchieren und sich anschließend selbst einzuschätzen.
Doch wer sich wie einschätzt, hängt nicht unbedingt mit der Qualifikation und Eignung für den Job zusammen. Eine Studie der Stepstone Group zeigt, dass 77 Prozent der Männer glauben, die für sie angemessene Bezahlung gut einschätzen zu können, während dies mit 67 Prozent bei Frauen seltener der Fall ist. Zudem geben Frauen häufiger an, dass die wichtigste Quelle für ihre Einschätzung Gehaltsangaben in Stellenanzeigen sind – die in Deutschland oft fehlen. Ähnlich geht es vermutlich Personen, die aufgrund mangelnder Berufserfahrung oder ihrer sozialen Herkunft begrenzten Zugang zu dem Wissen haben, welche Gehälter für ihren Job üblich sind. Laut der Stepstone-Studie fühlen sich Frauen zudem beim Gehaltsgespräch deutlich unwohler. Auch anderen Gruppen, die regelmäßig Diskriminierung erfahren, wie queere Personen oder Menschen mit Migrationshintergrund, fehlt womöglich das Selbstbewusstsein, den Lohn einzufordern, der ihnen zusteht. Ist Gehaltstransparenz das richtige Mittel, um diesen Ungleichheiten entgegenzuwirken?
Transparenz schafft Gerechtigkeit
Dass Transparenz unfaire Lohnunterschiede sichtbar macht und es Beschäftigten ermöglicht, gezielt nachzufragen oder Anpassungen zu fordern, wird vor allem am Gender Pay Gap, der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, deutlich. In Deutschland lag der unbereinigte Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2024 bei 16 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte zurückgegangen. Der bereinigte Gender Pay Gap zeigt die Gehaltsunterschiede zwischen Arbeitnehmerinnen und ihren männlichen Kollegen bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie an. Faktoren wie die Tatsache, dass Frauen häufig in Teilzeit oder in schlechter bezahlten Berufen und Branchen arbeiten, werden dabei herausgerechnet. Auch dieser bereinigte Wert liegt noch bei unveränderten 6 Prozent – in den östlichen Bundesländern sogar bei 8 Prozent.
Dass Gehaltstransparenz den Gender Pay Gap reduzieren kann, beweist unter anderem der OECD-Bericht Reporting Gender Pay Gaps in OECD Countries von 2023. Länder mit gut umgesetzten Berichtsmaßnahmen zur Gehaltsstruktur schneiden hier besonders gut ab; zum Beispiel Belgien mit einem unbereinigten Gender Pay Gap von gerade mal 1,2 Prozent. Hier besteht unter anderem eine Pflicht zur Gehaltsberichtserstattung und es finden regelmäßig systematische Prüfungen auf Lohngleichheit statt. Spanien, wo Gehaltsinformationen in Stellenanzeigen gesetzlich vorgeschrieben sind, hat laut den OECD-Daten ebenfalls einen sehr geringen Gender Pay Gap von rund 4 Prozent.
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