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Das Wirtschaftsmagazin

Das US-Kino transportiert die Ideologie der Reichen

Superheldenfilme verteidigen Superreichtum und US-Imperialismus. Ist Kapitalismuskritik in der Kultur noch möglich?

6 Minuten Lesedauer
Pedro Pascal in Fantastic Four. Credit: IMAGO/Landmark Media

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es sind die Helden des Spätkapitalismus. Sie fliegen weit oben über unseren Köpfen und kämpfen für die Freiheit eines jeden von uns. Sie verteidigen die Demokratie, wo sie verteidigt werden muss. Da gibt es auch mal Opfer, Tote und milliardenschwere Schäden. Aber der Kampf steht im Zeichen von Gerechtigkeit und Freiheit und wenn wir, das zusehende Publikum, uns nur genügend anstrengen, dogmatisch daran glauben und unser Leben darauf ausrichten, können auch wir zum Superheld werden. Es ist nicht anderes als ein Aufstiegsversprechen, was uns das US-Kino seit knapp einem Jahrhundert erzählt. Wir finden es in der Flut an Superhelden- und Historienfilmen und den gängigsten Figuren der Populärkultur. Sie berichten davon, wie hart wir arbeiten müssen, wie steinig und schwer der Weg ist und dass wir es alle schaffen können. Doch hinter diesen Erzählungen, speziell den US-amerikanischen, steht etwas Anderes: die Sicherung des Kapitals.

Superman verteidigt die US-Hegemonie

Mit Superman und Fantastic Four: First Steps kämpfen, fliegen und laufen aktuell wieder zwei prominente Superhero-Marken auf der Leinwand. Und kaum ein Held trägt die US-amerikanischen Ideale so verlässlich auf seinen muskulösen Schultern wie Superman. Trotz seines außerirdischen Namens und der nichtirdischen Herkunft – Kal-El vom Planeten Krypton – sind er, sein Mantel und Wertekanon seit 1938 ein Produkt der USA. Die Autoren Joe Shuster und Jerry Siegel – beide Kinder von immigrierten Eltern – haben den Wunsch nach mehr – mehr Freiheit, mehr Erfolg, mehr Möglichkeiten – zur DNA ihres Superhelden gemacht. Doch auch, wenn das gelb-rote »S« auf der Brust des Helden nach eigener Aussage für Hoffnung steht, ist es primär ein ideologisches Symbol.

Die Freiheit, die er vorgibt, für die Welt zu erringen, verteidigt er in erster Linie von den USA aus und für sie. Er wird somit zur Wunschvorstellung der US-amerikanischen Außenpolitik, zur Möglichkeit der zeitigen Intervention oder ewigen Vernichtung, eine vollendete Waffe unter nationaler Kontrolle. Seinem Umhang haftet stets der US-Imperialismus und damit auch der Kapitalismus als Ideologie an. Besonders der Kalte Krieg machte die Verteidigung des »American way of life« zur zentralen Aufgabe des Außerirdischen. Durch die Zerstörung, die Kal-El für die Freiheit anrichtet, würde die US-Zollbehörde ICE ihn heute sicherlich als »removable alien« einstufen. 

Die Hegemonie der USA wird längst nicht nur von Superman verteidigt. Auch The Suicide Squad von 2021 berichtet – bewusst oder unbewusst – von der aggressiven US-Außenpolitik. Die titelgebende Spezialeinheit soll eine südamerikanische Insel überfallen, nachdem sich dort ein antiamerikanisches Regime ausgebreitet hat. Auch die Figuren aus dem benachbarten Comic-Verlag Marvel sind ebenso starke Träger der US-Ideologie. So ist Captain America der staatlich legitimierte und gewollte Patriot, der mit seinem Schild die Werte seines Heimatlandes nach außen trägt, bis in den Weltraum hinein.

Milliardäre: die Superhelden unserer Zeit?

Besonders Iron Man wurde zum positiven Sinnbild des kapitalistischen Unternehmers, nicht zuletzt durch die Filme des nicht enden wollenden Marvel Cinematic Universe. Nur durch seinen Erfindergeist und seine privatisierte Rüstungsindustrie ist es den USA möglich, gegen Terror und Tyrannei anzukämpfen. Iron Man alias Tony Stark ist das, was Elon Musk sein will, aber nicht sein kann: wortgewandt, intelligent, humorvoll; kurz: ein Sympathieträger. Und doch ist er ein Vorbote der Technokratie, der seine moralischen Ansichten als Grund zum Handeln nimmt und in seiner stählernen Rüstung über die Welt fliegt. Seinen Willen setzt er mit dem Kapital seines Rüstungskonzerns durch, fernab von Gesetzen und Gerichten. Auch inszeniert sich Tony Stark als messianische Figur, wie es Musk, Trump und Thiel tun, und verkauft sich als »guter« Kapitalist. Seine Taten als Superheld sind Sinnbild der »Trickle-down-Ökonomie«: Nur durch seinen grenzenlosen Reichtum kann er als Iron Man die Welt, das Land und die Menschen schützen. Das Geld seines Rüstungsbetriebs finanziert seine technischen Experimente und Rüstungen, mit denen er für die Sicherheit der anderen sorgt. Damit rechtfertigt der Film die Akkumulation von Kapital auf seine Person. Tony Stark darf so reich sein wie niemand anderes, weil angeblich alle davon profitieren. Solche Narrative, die Rechtfertigung der Superhero-Milliardäre, die meist durch reiche Familien oder Tech-Konzerne zu Geld kommen, finden sich zuhauf. Auch Bruce Wayne alias Batman kann sich nur dank seines Erbes in der hoch technologisierten Bathöhle zurückziehen.

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Martin Seng

Martin F. Seng ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Bildungsreferent und freier Journalist. Er beobachtet die Interdependenzen von Medien, Propaganda und Politik.

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