Der G20-Gipfel in diesem Monat in Johannesburg war durch mehrere historische Premieren gekennzeichnet. Zunächst einmal war er der erste Gipfel der Gruppe in Afrika und der erste, an dem die Afrikanische Union als vollwertiges Mitglied teilnahm. Er schuf aber auch weniger ermutigende Präzedenzfälle: Das Treffen war das erste, das von einem wichtigen Gründungsmitglied – den Vereinigten Staaten – aus fadenscheinigen Gründen boykottiert wurde, und das erste, bei dem dasselbe Land versuchte, den Gastgeber an einer Abschlusserklärung zu hindern. Ebenso beispiellos war die Entscheidung Südafrikas, die amerikanische Drohung zu ignorieren und trotzdem eine Erklärung abzugeben.
Als Präsident der G20 lud Südafrika Delegationen aus Afrika und anderen Teilen der Welt ein, als Gäste teilzunehmen, und unterstrich damit die anhaltende Bedeutung des multilateralen Dialogs und der Zusammenarbeit. Aufbauend auf dem Schwung des letztjährigen Gipfels in Brasilien erweiterte die Gruppe ihre Tagesordnung um Themen, die für Afrika und die Entwicklungsländer im Allgemeinen von besonderer Bedeutung sind.
Eklatante Ungleichheit als zentraler Konflikt
Der inklusive Ansatz Südafrikas ebnete den Weg für einen weiteren Meilenstein: Erstmals befassten sich die Staats- und Regierungschefs der G20 offiziell mit dem Thema der weltweiten Ungleichheit. Den Anstoß dazu gab der jüngste Bericht des Extraordinary Committee of Independent Experts on Global Inequality, eines Sonderausschusses unabhängiger Experten für globale Ungleichheit. Unter dem Vorsitz des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz fasste der Ausschuss (dem ich angehörte) eine Vielzahl von Forschungsergebnissen zusammen und stützte sich dabei auf Konsultationen mit 80 prominenten Wissenschaftlern, um ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen Ungleichheiten weltweit zu zeichnen.
Die Schlussfolgerungen sind wenig beruhigend: Während die weltweite Ungleichheit seit Anfang der 2000er Jahre zurückgegangen ist, ist dies weitgehend auf steigende Einkommen in China zurückzuführen. Für die Welt insgesamt bleibt die Ungleichheit hartnäckig hoch und ist neuerlich im Steigen begriffen. Während die Ungleichheit zwischen den Ländern zurückgegangen ist, ist die Kluft zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern nach wie vor unannehmbar groß. Neun von zehn Menschen leben heute in Ländern mit hoher Ungleichheit – selbst nach den relativ konservativen Standards der Weltbank.
Die Einkommensverteilung innerhalb von Ländern ist gleichermaßen verzerrt. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ist in den meisten Volkswirtschaften in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, während sich das Kapitaleinkommen immer stärker konzentriert hat. Der Großteil der Unternehmensgewinne entfällt heute auf Großunternehmen, wobei multinationale Konzerne den Löwenanteil ausmachen.
Diese Entwicklungen spiegeln einen allgemeineren Trend wider: die Konzentration von Einkommen und Vermögen an der Spitze. Das Vermögen ist dabei weitaus ungleicher verteilt, da sein explosives Wachstum in den letzten Jahrzehnten in erster Linie denjenigen zugutekam, die ohnehin schon reich waren. Mehr als 40 Prozent des seit Beginn des Jahrhunderts erwirtschafteten Vermögens gingen an das reichste 1 Prozent, während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung bloß 1 Prozent erhielt.
Selbst innerhalb der obersten 1 Prozent wurden die Gewinne größtenteils von den Superreichen vereinnahmt – die wohl extremste Vermögenskonzentration in der Geschichte der Menschheit. Das Ergebnis ist eine Schicht globaler Plutokraten, deren beispiellose Ressourcen es ihnen ermöglichen, Gesetze, Institutionen und Politiken zu gestalten, die öffentliche Meinung durch ihre Kontrolle über die Medien zu beeinflussen und Rechtssysteme zu ihren Gunsten zu kippen.
Weitreichende negative Folgen
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