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Das Wirtschaftsmagazin

Die Gleichstellung der Geschlechter fördert das Wirtschaftswachstum

Dass Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit: Auch die wirtschaftliche Entwicklung hängt davon ab.

3 Minuten Lesedauer

In Ägypten hatte der Abbau von Hürden für Frauen in der Wirtschaft große positive Effekte. Credit: IMAGO/Joerg Boethling

Aktuell ist es ein ungünstiger Zeitpunkt für handelsorientierte Wachstumsstrategien – besonders angesichts der Rückkehr von Protektionismus und Industriepolitik in den hochentwickelten Volkswirtschaften und zunehmender geopolitischer Spannungen. Da das künftige Wachstum zunehmend von einer soliden Innenpolitik abhängt, sollten sich Länder niedrigen und mittleren Einkommens darauf konzentrieren, ihre vorhandenen Ressourcen vollumfänglich und effizient einzusetzen. Und keine Ressource ist so wertvoll wie das Humankapital.

Während Ökonomen und politische Entscheidungsträger die Akkumulation von Humankapital – insbesondere durch Investitionen in Bildung – seit Langem als Motor für Wachstum und Entwicklung erkannt haben, haben sie der effizienten Allokation vorhandenen Humankapitals weit weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Wirtschaft kann ihr Potenzial nur dann voll ausschöpfen, wenn die Menschen jeweils die Berufe ausüben, die ihren Talenten und Vorlieben am besten entsprechen.

Die Beseitigung oder zumindest Verringerung der Fehlallokation von Talenten sollte daher eine wichtige Priorität sein. Eine wachsende Zahl wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsarbeiten zeigt, dass die Verringerung der Fehlallokation von Talenten selbst in hochentwickelten Volkswirtschaften wie den USA bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen haben kann.

Große Potenziale

In einer vor einigen Jahren veröffentlichten einflussreichen Arbeit werden beispielsweise 20 bis 40 Prozent des Anstiegs der Wirtschaftsleistung des US-Marktes pro Kopf zwischen 1960 und 2010 auf die Verbesserung der Talentallokation zurückgeführt. Dieses zusätzliche Wachstum wurde durch Abbau der Diskriminierung von Frauen und schwarzen Männern auf dem Arbeitsmarkt und durch die Verringerung der Hürden erreicht, mit denen diese Gruppen bei der Entwicklung von Humankapital konfrontiert waren.

Das Potenzial, derartige Zuwächse zu erzielen, dürfte in weniger wohlhabenden Ländern, in denen die Fehlallokation von Talenten vermutlich noch stärker ausgeprägt ist, sogar noch größer sein. Und während die Bedeutung von Ethnien oder anderen identitätsbasierten Barrieren je nach Kontext variiert, ist das Geschlecht ein universelles Thema. Da Frauen in jedem Land etwa die Hälfte der Bevölkerung stellen, könnte es sich wirtschaftlich lohnen, dafür zu sorgen, dass sie ihre Fähigkeiten und Talente vollumfänglich nutzen können.

Es ist allgemein bekannt, dass die Arbeitsmarktergebnisse nach Geschlecht stark variieren. In den meisten Ländern haben Frauen eine niedrigere Erwerbsquote und ein geringeres Einkommen, sind in unbezahlten oder informellen Jobs überrepräsentiert und verbringen mehr Stunden mit der Eigenproduktion im Haushalt und mit Hausarbeit. Würden diese Unterschiede per se gegebene komparative Vorteile oder echte Präferenzen widerspiegeln, wären sie effizient, und eine Reallokation von Männern und Frauen auf andere Tätigkeiten würde die Produktivität einer Volkswirtschaft nicht verbessern. Wenn sie jedoch Verzerrungen widerspiegeln, lassen die politischen Entscheidungsträger Geld auf dem Tisch liegen.

Neue Studie zeigt, wo die Verzerrungen liegen

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Pinelopi Koujianou Goldberg

Pinelopi Koujianou Goldberg war Chefvolkswirtin der Weltbankgruppe und Herausgeberin des American Economic Review. Sie ist Professorin für Volkswirtschaft an der Universität Yale.

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